Kapillarmikroskopie

Die Kapillarmikroskopie ist eine altbewährte Methode zur Früherkennung von Gefässerkrankungen und Beurteilung der Mikrozirkulation der Haut und des Aussehens der Kapillaren. Diese Untersuchung erlaubt als einzige einfache, nicht belastende Methode die direkte Untersuchung. Durch eine lichtmikroskopische Einrichtung wird der Aufbau der Kapillaren in der Haut beurteilt. Dazu eignet sich insbesondere die Nagelfalz der Finger, aber auch der Füsse, denn hier sind die kleinsten Blutgefässe in ihrer ganzen Architektur beurteilbar (Bild 1 Normalbefund).

Die Untersuchung kann rasch durchgeführt werden, liefert differentialdiagnostische Hinweise, ist gut reproduzierbar und stellt für den Patienten keine Belastung dar. Sie ist somit ein wichtiger Baustein in der Diagnostik für Angiologen, Rheumatologen und Dermatologen.

Bei der Verwendung von Videotechnik ist zusätzlich die Erfassung dynamischer Vorgänge in den Kapillaren, wie qualitative Flussgeschwindigkeit möglich. Aus dem Aussehen und der räumlichen Verteilung dieser kleinsten Gefässe sowie aus dem ebenfalls erkennbaren Blutfluss lassen sich Aussagen über Störungen der Mikrozirkulation (Mikroangiopathie), organische Kapillarschädigungen oder -erkrankungen treffen.

So können sekundäres Raynaud-Syndrom, die Bindegewebserkrankungen (z.B. Sklerodermie) oder entzündliche Gefässerkrankungen (Vaskulitis) von dem primären Raynaud-Syndrom mit funktionellen Störungen und normalen Kapillaren differenziert werden. Die sekundäre Form von Raynaud-Syndrom wird als Begleitphänomen bei unterschiedlichen Grunderkrankungen beobachtet, z.B. Kollagenosen, vaskuläre sowie hämatologische Leiden und auch mit Medikamenten assoziiert. Mehr als 90 % der Patienten mit systemischer Sklerodermie weisen das Phänomen auf, das der Kollagenose mehrere Jahre vorausgehen kann. Darüber hinaus kann der Schweregrad einer Hautdurchblutungsstörung erfasst werden, somit kann das Risiko und die Prognose von Hautschädigungen abgeschätzt werden.

Wie wird die Untersuchung durchgeführt?

Der Nagelfalz wird mit einem hochreinen Öl benetzt um den Brechungsindex zu erhöhen. So ist es möglich, ohne Eingriff die feinen Kapillaren der Haut zu bewerten.

Normaler Befund:

Anhand der normalen Flussrichtung des Blutes lässt sich ein etwas dünnerer, zuführender Schenkel von einem dickeren, abführenden Schenkel unterscheiden. Die beiden Schenkel vereinigen sich in einem Übergangssegment am Scheitel der „Haarnadel".

Normalbefund (Bild 1)

Krankhafte Befunde:

  • büschelartig verzweigte Blutgefässe, farnblatt-, kaktus-, knäuelartig
  • körnige Blutströmung bis Blutflussstillstand, Areale ohne Gefässdurchblutung
  • segmentale Gefässerweiterungen (Ektasie) bis Riesenkapillaren
  • Korkenzieherartige Kapillaren, ungeordnete Kapillaren
  • blasser Hintergrund mit Pigmentdepots und alte Blutungen
  • perlmuttartige Schleier- oder Nebelbildung, Wattebausch

Pathologischer Befund (Bild 2 - n)

Bei welchen Erkrankungen sollte eine Kapillarmikroskopie durchgeführt werden?

Eine Kapillarmikroskopie sollte bei folgenden Erkrankungen oder Verdachtdiagnosen durchgeführt werden.

  • Raynaud-Phänomen
  • Verdacht auf Mikrozirkulationsstörung
  • Periphere arterielle Verschlusskrankheit
  • Thrombangiitis obliterans
  • Akrodermatitis atrophicans
  • Kollagenosen
  • Akrozyanose
  • Verdacht auf pulmonal arterielle Hypertonie
  • Verdacht auf Vibrationstraumata

Eine Kapillarmikroskopie gibt uns Auskunft bereits Monate sogar Jahre bevor ein sekundäres Raynaud-Syndrom ausbricht. Somit kann man anhand der mikroskopischen Veränderungen der Kapillaren voraussagen, um welche Krankheit es sich am ehesten handelt könnte und somit die diagnostische Aussagekraft zu verbessern.

Behandlung und Therapie

Neben allgemeinen Massnahmen wird oft versucht, die Blutgefässe mit Hilfe von Medikamenten zu erweitern. Obwohl eine solche Behandlung häufig angewandt wird, ist sie problematisch, denn viele Raynaud-Patienten haben einen niedrigen Blutdruck, der durch die Gefässerweiterung noch weiter gesenkt wird.

Alternativ kann eine lokale gefässerweiternde Therapie mit Salben, z.B. mit Nitroglyzerinsalbe erfolgen. Trägt man dieses Mittel auf die Finger auf, dehnen sich die darunter liegenden Arterien aus. Solche Therapie wird auch häufig angewandt und wird von den Patienten besser toleriert.

Bei sekundärem Raynaud-Syndrom wird einerseits die Ursache, also die zugrunde liegende Erkrankung behandelt, anderseits werden die Symptome mit Gefässerweiternden Medikamenten therapiert. Schwere Fälle mit Wunden an den Fingern, wie es häufig bei sekundärem Raynaud-Syndrom vorkommt, werden vor allem mit Infusionen behandelt. Bei einem sehr weit fortgeschrittenen Raynaud-Syndrom wird manchmal auch operativ eingegriffen und werden dabei versucht die sensiblen Nerven, die für eine Gefässverengung verantwortlich sind zu durchtrennen. Nach solcher Nervendurchtrennung am Rückenmark werden zwar die Patienten vorübergehend beschwerdefrei, doch diese Methode hilft meist nur für wenige Monate. Es ist daher sehr wichtig die Patienten regelmässig in der angiologischen Sprechstunde zu kontrollieren, um eine Entstehung von Wunden an den Fingern oder Zehen rechtzeitig zu erkennen und diese entsprechend zu behandeln.