Behandlung einer Reizblase

Etwa 100'000 Menschen in der Schweiz leiden an einer Reizblase, die gekennzeichnet ist durch einen überfallartigen, plötzlich auftretenden, zwingenden Drang, Urin lassen zu müssen. Dieser Drang kann nur mit Mühe unterdrückt werden und führt zu häufigen Toilettengängen tagsüber und in der Nacht. Bei einem Drittel der Patienten kommt es zusätzlich zu einem unfreiwilligen Urinverlust.

Die Diagnose einer Reizblase kann in den meisten Fällen schon anhand einer ausführlichen und präzisen Befragung gestellt werden. Dabei ist es wichtig, andere Ursachen für die Reizblasenbeschwerden wie eine akute Blasenentzündung, Stoffwechselerkrankungen (z.B. Diabetes mellitus), neurologische Erkrankungen (z.B. Bandscheibenvorfälle, Morbus Parkinson, Multiple Sklerose) auszuschliessen. Auch bestimmte Medikamente und Genussmittel wie Kaffee, Alkohol, Fruchtsäfte und kohlensäurehaltige Getränke verschlimmern die Drangbeschwerden.

Nur in speziellen Fällen bedarf es einer weiterführenden Abklärung mittels einer speziellen Untersuchungsmethode, der Urodynamik.

Trinkkalender

Eine Voraussetzung für die genaue Diagnose und die effektive Behandlung der überaktiven Blase ist, den Verlauf der Beschwerden genau zu beobachten. Nur so erhalten wir alle wichtigen Informationen, um Ihnen helfen zu können.

Bei Ihrem ersten Besuch in unserem Blasen- und Beckenbodenzentrum erhalten Sie deshalb zusammen mit einem Messbecher ein Trink- und Miktionstagebuch. Hier tragen Sie die Flüssigkeitsmengen ein, die Sie zu sich nehmen und ausscheiden. Dazu werden allfällige Beobachtungen wie Harndrang, Schmerzen und Urinverlust eingetragen. Dieses Tagebuch sollte drei Tage lang so sorgfältig wie möglich ausgefüllt werden.

Gleichzeitig kann mit Hilfe eines Trink- und Miktionstagebuchs eine allfällige medikamentöse Therapie der Reizblase unterstützt werden. Dabei trainieren Sie, die Zeiten zwischen den Toilettenbesuchen aktiv zu verlängern und die Selbstkontrolle über die Blasenfunktion zu verbessern (Blasenschulung). Im Rahmen unserer Sprechstunde unterstützen wir Sie gerne bei diesem Blasentraining und geben Ihnen genaue Anweisungen und Tipps.

Beispielhaft ausgefüllter Trink- & Miktionskalender

Behandlung mit Botox-Injektion

Diese neuste und wissenschaftlich fundierte Behandlungsmethode wird bei uns seit längerer Zeit zur Therapie der Reizblase (mit oder ohne Inkontinenz) eingesetzt. Bei dieser Therapie wird das Medikament Botox während einer Blasenspiegelung direkt in die Harnblasenwand injiziert, wodurch es zur Beruhigung der Harnblase kommt und somit zur Besserung der Beschwerden.

Die Behandlung mit Botox wird üblicherweise als ambulanter Eingriff unter örtlicher Betäubung bei uns im Blasen- und Beckenbodenzentrum durchgeführt. Das heisst, dass die Behandlung für Sie weitestgehend schmerzfrei ist und Sie am Tag des Eingriffs wieder nach Hause gehen dürfen. Es handelt sich um eine sehr sichere Behandlung, die nur selten mit relevanten Nebenwirkungen verbunden ist.

Verschiedene Studien und langjährige klinische Erfahrungen in vielen urogynäkologischen Zentren haben gezeigt, dass Botox bei der Behandlung der Reizblase in ca. 80% zum Erfolg führt. Da die Wirkung von Botox nach 6 bis 12 Monaten nachlässt, ist es wichtig, dass die Basismassnahmen (Trinkverhalten, Toilettentraining, Physiotherapie, Hormone) weiter angewandt werden, damit der Therapieerfolg langfristig anhält. Eine Wiederholung der Botox-Injektion kann jedoch dennoch nötig sein.

Da diese innovative Therapie bei der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) noch nicht für die Behandlung der Reizblase registriert ist, empfiehlt sich zu Beginn der Behandlung eine Kostengutsprache bei der Krankenkasse einzuholen.

Verschiedene Therapiemöglichkeiten

Konservative Therapie

Als Basistherapie stehen konservative Massnahmen zur Verfügung:

  • physikalische Massnahmen wie Beckenbodentraining mit Elektrostimulation und Bio-Feedback
  • Verhaltensmodifikation mit Optimierung des Trinkverhaltens einschliesslich Toilettentraining

Behandlung mit Hormonen

Der mit zunehmendem Alter auftretende Hormonmangel (Oestrogenmangel) führt zu einer Gewebeschwäche mit Ausdünnung (Atrophie) der Schleimhaut von Scheide, Harnblase und Harnröhre. Diese Veränderungen sind oft Ursache von Reizzuständen dieser Organe, die sich in Form einer Reizblase, rezidivierenden Harnwegsinfekten oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) äussern.

Die Verabreichung von Oestrogenen verbessert nachweislich die Durchblutung der urogenitalen Schleimhaut und fördert so den Aufbau der ausgedünnten Haut und Schleimhaut mit entscheidender Linderung der Beschwerden bis hin zur Heilung.

Bei der Hormontherapie ist der lokalen Darreichungsform (Zäpfchen, Creme) der Vorzug zu geben.

Medikamentöse Behandlung der Reizblase

Sollte die Basistherapie der Reizblase nicht den gewünschten Erfolg zeigen, stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die über eine Rezeptorblockierung (Antimuscarinika) zu einer Blasenberuhigung führen. Diese Medikamente können jedoch auch flankierend zu der Basistherapie verordnet werden, wodurch sich das Therapieergebnis zusätzlich verbessern lässt.

Es gibt eine breite Palette an Tabletten und Kapseln, der Wirkstoff ist auch in Pflasterform erhältlich. Die Wirkung der Präparate wurde durch zahlreiche Studien belegt. Unterschiede gibt es jedoch in der Verträglichkeit und dem Nebenwirkungsprofil (Mundtrockenheit, Verstopfung, Müdigkeit, Sehstörungen), so dass die Verordnung individuell erfolgt, ebenso wie die Therapiedauer.

Behandlung mit EMDA

Die innovative Therapiemethode, die Behandlung der Reizblase mit EMDA (electromotive drug administration), wird nur in wenigen Zentren angeboten und zeigt erfreuliche Ergebnisse.

Bei der EMDA-Behandlung werden die medikamentösen Wirkstoffe in flüssiger Form über einen Blasenkatheter in die Harnblase verabreicht, um anschliessend über elektrische Spannung in die tieferen Gewebeschichten der Blase zu gelangen (Iontophorese) und dort ihre schmerzlindernde, entzündungshemmende und regenerierende Wirkung entfalten. Diese nicht-invasive Behandlungsmethode stellt eine schonende und erfolgversprechende Therapie dar.

Darstellung eines Spezialkatheters mit Silberelektrode (1) in der Harnblase (2) zur Behandlung mit EMDA

Tibial-Nerven-Stimulation (TNS)

Diese Form der Behandlung wird vor allem nach einer erfolglosen medikamentösen Therapie oder primär bei Blasenfunktionsstörungen/Entleerungsstörungen eingesetzt.

Durch die elektrische Stimulation des Tibialisnerven (Neuromodulation) auf Höhe des Knöchels (mit Hilfe von Akupunkturnadeln) kommt es zur Stimulation des Plexus sacrialis (Nervengeflecht) auf Höhe des sakralen Rückenmarks, welcher für die nervale Versorgung der Blase und des kleinen Beckens verantwortlich ist. Die Behandlungsdauer wird individuell angepasst und ist schmerzfrei.