Weltweit hat der Konsum von Opioiden in den vergangenen 20 Jahren stark zugenommen. In den USA kam es zuletzt sogar zu einer Krise im öffentlichen Gesundheitswesen, und in Europa steigen die Verschreibungen der Schmerzmittel, die opiumartige Wirkstoffe enthalten, stetig an. Auch Schweizer Ärztinnen und Ärzte verschreiben bereits bei geringfügigen Verletzungen des Bewegungsapparates – und nicht nur bei Tumorschmerzen – immer häufiger Opioide: So gab es zwischen 2008 und 2018 bei den leichten (+91,4 Prozent) und bei den schweren (+88,3 Prozent) Verletzungen eine deutliche Zunahme. Das ist insofern bedenklich, als Opioide bei muskuloskelettalen Schmerzen nicht wirksamer sind als andere Schmerzmittel, jedoch oft unerwünschte Nebenwirkungen nach sich ziehen. Diese reichen von kognitiven Beeinträchtigungen über Übelkeit und Schmerzüberempfindlichkeit bis hin zur Gefahr der Opioidabhängigkeit. Genau hier setzen die Forschenden unter der Leitung von Prof. Maria Wertli und Prof. Ulrike Held an. Das Ziel: Die Verabreichung von Opioiden rechtzeitig einzuschränken oder zu beenden. Dafür haben sie ein Prognosemodell entwickelt, um Personen mit einem erhöhten Risiko zu identifizieren.
„Aufgrund unserer Studie können wir anhand von verschiedenen Faktoren bereits bei der ersten Verschreibung von Opioiden die Wahrscheinlichkeit berechnen, ob diese Schmerzmittel langfristig eingenommen werden“, sagt Maria Wertli, die zugleich Professorin der Universität Bern ist: „Unser Prognosemodell erlaubt es, gezielt bei Personen mit erhöhtem Risiko präventive Massnahmen einzuleiten oder diese anzubieten.“
Grundlage der Studie waren Daten der Krankenversicherung Helsana. 418.564 Patientinnen und Patienten, die Opioide erhalten hatten, wurden berücksichtigt. Das Hauptaugenmerk der Forschenden lag dabei auf unterschiedlichen Faktoren. Faktoren, die massgeblich für die Wahrscheinlichkeit, dass Opioide über einen langen Zeitraum eingenommen werden, verantwortlich sind. Zu diesen zählen unter anderem das Geschlecht der Patienten, die Startdosierung, das Schmerzmittel an sich, etwaige Mehrfacherkrankungen sowie eine vorangegangene Opioid-Gabe. Mit der daraus berechneten Wahrscheinlichkeit über das erhöhte Risiko für eine Opioid-Abhängigkeit können nun alternative Massnahmen für diese Patienten ergriffen werden.
Das KSB hat die Opioide-Problematik schon lange im Blickfeld. Die Ärztinnen und Ärzte werden an interdisziplinären Besprechungen sowie in Weiterbildungskursen konsequent auf die Praxisempfehlungen aufmerksam gemacht. Zudem wird den Patientinnen und Patienten beim Spitalaustritt erklärt, wann sie ihre Dosis an Opioiden reduzieren oder das Medikament ganz absetzen können.
Lindern starke Schmerzen, bergen aber die Gefahr der Abhängigkeit: Opioide.