«Jetzt können wir Ihnen leider nicht mehr weiterhelfen.» Diesen Satz haben viele Menschen gehört, bevor sie zur Palliativsprechstunde am KSB kommen. Sie wurden von Spezialistinnen und Spezialisten betreut, sind mit Diagnosen konfrontiert worden, haben bereits unzählige Behandlungen durchgemacht und stehen nun vor der Frage: Wie geht es weiter, wenn nichts mehr wirkt?
«Wir sind oft die Ersten, die wieder den Patienten ganzheitlich betrachten», sagt Meng Monfregola, Ärztliche Leitung Palliative Care am KSB. «Nicht mehr die Krankheit steht im Zentrum, sondern die Lebensqualität. Wir hören zu, fassen zusammen und fragen: Was ist eigentlich noch wichtig?»

Der Fokus liegt auf der Lebensqualität und Orientierung
Die Palliativsprechstunde versteht sich dabei nicht als medizinischer Endpunkt, sondern als neuer Anfang. Ein interprofessionelles Team aus Ärztinnen und Ärzten, Pflegefachpersonen und weiteren Fachkräften nimmt sich viel Zeit, um die individuelle Situation der Betroffenen zu erfassen: Wie geht es dem Menschen körperlich, psychisch und sozial? Welche Symptome belasten ihn? Welche Ängste beschäftigen ihn? Welche Wünsche hat er für die verbleibende Zeit?
«Wir schaffen einen Ort, an dem Fragen gestellt werden dürfen, die sonst oft keinen Platz haben – weil sie zu unbequem sind oder zu sehr tabuisiert», erläutert Andrea Schneider, Klinische Fachspezialistin Palliative Care im KSB. Dazu gehören auch heikle Themen wie die finanzielle Vorsorge oder die Patientenverfügung. «Viele sind dankbar, wenn wir gemeinsam anschauen: Was wäre, wenn ich mich nicht mehr äussern kann? Welche medizinischen Massnahmen möchte ich – und welche nicht?», sagt Meng Monfregola.
Es geht dabei aber nicht nur um Krebspatienten. Im Gegenteil: «Wir begleiten auch Patienten mit fortschreitender, chronischer Organschwäche wie etwa Herzschwäche, COPD oder degenerative Nervenkrankheiten, bei denen belastende Symptome oder psychosoziale Belastung im Krankheitsverlauf auftreten können», ergänzt Meng Monfregola.
Ein breites Netzwerk steht zur Verfügung
Ein zentraler Pfeiler der Palliativsprechstunde ist die enge Vernetzung mit anderen Angeboten. Je nach Bedarf werden etwa die Krebsliga Aargau, die Spitex, Physiotherapeutinnen und -therapeuten oder psychoonkologische Dienste hinzugezogen. Auch Hilfsmittel wie Pflegebetten, Gehhilfen oder Reservemedikamente werden organisiert – vorausschauend und situationsgerecht. Die Sprechstunde dient dabei für die Koordination der Angebote: «Wir helfen den Menschen, Prioritäten zu setzen», sagt Meng Monfregola. «Was ist jetzt wirklich wichtig? Was kann warten? Wir unterstützen sie dabei, Termine zu planen, Kontakte zu knüpfen und ihnen zu zeigen, wohin sie sich im Notfall wenden können.» Dieses strukturierte Vorgehen gibt nicht nur Patientinnen und Patienten Sicherheit, sondern entlastet auch Angehörige.
Besonders wertvoll ist der niederschwellige Zugang. Das Problem: «Viele wissen gar nicht, dass es uns gibt», betont Andrea Schneider. «Wir versuchen, das Angebot auch bei Hausärzten und anderen Fachpersonen sichtbarer zu machen.» Dabei spielt die Weiterbildung eine grosse Rolle: Das KSB engagiert sich aktiv in der Sensibilisierung des medizinischen Personals für palliative Themen.
Ein Fall ist beiden dabei besonders in Erinnerung geblieben: Ein Familienvater mit einem metastasierten Darmkrebs kam gemeinsam mit seiner Frau in die Sprechstunde. Die Diagnose war neu, die Prognose ungewiss, die Belastung gross. Der Mann war nach einer Gehirnoperation wegen der Hirnmetastasen entschlossen, keine weiteren Therapien mehr zu machen. Er wollte aber vorbereitet sein. Die Palliativsprechstunde wurde zur Drehscheibe: Medikamente, Spitex, psychosoziale Unterstützung. Alles wurde organisiert. In einem zweiten Verlauf kam es zu massiver Atemnot und grosser Angst. Auch da war das Team zur Stelle. Ambulant war die Behandlung nicht mehr zu beherrschen, weshalb der Patient rasch stationär aufgenommen werden konnte. Koordiniert unter anderem durch die Sprechstunden-Mitarbeitenden – mit ihrer Krisenintervention und viel menschlichem Beistand.

«Nicht mehr die Krankheit steht im Zentrum, sondern die Lebensqualität.»
Ärztliche Leitung Palliative Care
Die grosse Unsicherheit nehmen – auch die der Angehörigen
«Wir erleben oft, dass allein das Gespräch – dieses Aufgefangen werden – schon entlastet», berichtet Andrea Schneider aus der Praxis. «Es geht nicht nur darum, was medizinisch möglich ist, sondern um das, was dem Menschen wichtig ist.» Dazu brauche es Zeit, Ruhe und Offenheit. Deshalb dauert eine Palliativsprechstunde in der Regel rund eine Stunde – mit der Möglichkeit zur Wiederholung. Das hilft nicht nur den Betroffenen, sondern auch den Angehörigen. «Manche Familienmitglieder schlafen je nach Verlauf der Krankheit oft nicht mehr, weil sie nachts Angst haben, etwas zu verpassen», erzählt Andrea Schneider: «Wenn wir dann helfen können, damit eine Familie wieder etwas durchatmen kann, ist das unglaublich wertvoll.»
Und manchmal geht es einfach darum, da zu sein. «Ein Patient hat einmal gesagt: ‚Alle gehen, aber Sie sind geblieben.‘ Das hat uns tief berührt», sagt Meng Monfregola. «Denn genau das ist unser Ziel: Menschen nicht nur zu begleiten, sondern ihnen in einer schwierigen Zeit Halt zu geben.» Diese Erfahrungen sind typisch: Nicht selten kommen Patientinnen und Patienten in grosser Unsicherheit – und verlassen dann die Sprechstunde mit einem Plan, einem Ansprechpartner, einem Stück innerer Ruhe. «Sie merken, dass es weitergeht, zwar anders, aber nicht weniger bedeutsam», sagt Meng Monfregola und ergänzt kurz danach: «Das ist vielleicht das Wichtigste, was wir geben können.»
Info-Box
Die Anmeldung kann vielfältig erfolgen: über die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt, durch die Patientin sowie den Patienten selbst, deren Angehörigen oder das ambulante Behandlungsteam zu Hause. Das Sekretariat der Sprechstunde Palliative Care erreichen Sie telefonisch unter +41 56 486 16 00 oder per E-Mail: palliativ@ksb.ch
Text: Simon David• Geprüft von: Meng Monfregola, Ärztliche Leiterin Palliative Care