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«Selbstverständlich gehe auch ich zur Mammographie»

20. Oktober 2025

Brustkrebs trifft viele Frauen in der Schweiz – aber jede anders. Prof. Cornelia Leo, Chefärztin des Brustzentrums im KSB, spricht über echte Fortschritte in der Therapie, warum auch Männer betroffen sind und darüber, wie schwierig es ist, Patientinnen eine schlechte Diagnose zu überbringen. «Daran», sagt sie, «gewöhne ich mich nie.»

Frau Prof. Leo, wie sieht die perfekte weibliche Brust aus?

Perfekt ist eine Brust dann, wenn sich die Frau mit ihr wohlfühlt. Punkt. Es gibt keine allgemeingültige Norm. Jede Frau hat ein anderes Empfinden dafür, was für sie stimmt – und genau das ist richtig so. Mein Beruf hat mir gezeigt, wie vielfältig Selbstwahrnehmung sein kann. Eine Patientin sagte mir einmal: «Meine Brust ist nicht mehr wie früher, aber das gehört jetzt zu meiner Geschichte.»

Brustkrebs betrifft in der Schweiz jede achte Frau. Das klingt besorgniserregend.

Ja, das Risiko, im Laufe des Lebens an Brustkrebs zu erkranken, liegt bei etwa 12 Prozent. Besonders ab dem 50. Lebensjahr steigt die Wahrscheinlichkeit. Viele Frauen erschreckt diese Zahl. Doch es ist wichtig, sich nicht in Angst zu verlieren, sondern sich zu informieren und regelmässig zur Kontrolle zu gehen. 

Von 70 auf 90 Prozent: Warum überleben heute mehr Frauen Brustkrebs?

Das mache ich an drei Punkten fest. Erstens an der Früherkennung: Dank des Mammographie-Screenings entdecken wir viele Tumore in einem sehr frühen Stadium. Im Kanton Aargau wird ein solches Screening-Programm gerade aufgebaut. Zweitens verstehen wir heute die Tumorbiologie viel besser. Wir wissen, dass Brustkrebs nicht gleich Brustkrebs ist. Und drittens sind die Therapien zielgerichteter, personalisierter und schonender geworden. Ausserdem hat sich gesellschaftlich etwas verändert: Frauen gehen früher zum Arzt, weil mehr über das Thema gesprochen wird – auch von Prominenten, die betroffen sind. Das öffentliche Bewusstsein ist viel grösser als früher. Das macht einen riesigen Unterschied.

Gehen Sie selbst zur Mammographie?

Selbstverständlich. Ich weiss, dass Ärztinnen und Ärzte manchmal nachlässig mit der eigenen Gesundheit umgehen. Aber hier bin ich konsequent. Ich war erst im vergangenen Jahr und habe bereits vor dem 50. Geburtstag Mammographien vornehmen lassen.

Warum haben Sie sich als Gynäkologin gerade für Brustmedizin entschieden?

Weil sie so vielseitig ist – von der Diagnostik bis zur Operation, von der genetischen Beratung bis zur Medikamenten-Behandlung. Zudem beteiligen wir uns an Forschungsprojekten und – das Wichtigste – ich kann über einen langen Zeitraum für meine Patientinnen da sein.

Ist es auch das, was das Brustzentrum des KSB von anderen Spitälern unterscheidet?

Zunächst sind wir ein zertifiziertes Zentrum. Das heisst, wir erfüllen nachweislich höchste Qualitätsstandards. Doch was uns wirklich auszeichnet, ist unsere interdisziplinäre Teamarbeit. Bei uns arbeiten alle eng zusammen: Gynäkologie, Radiologie, Onkologie, Strahlentherapie, plastische Chirurgie, Psychoonkologie sowie unsere drei Breast Care Nurses. Für die Patientin hat das den grossen Vorteil, dass sie ihre Geschichte nicht jedes Mal neu erzählen muss – wir kennen sie. Das schafft Vertrauen.

Cornelia Leo

«Wir wissen, dass Brustkrebs nicht gleich Brustkrebs ist.»

Prof. Dr. Cornelia Leo

Chefärztin des Brustzentrums im KSB

Trotzdem: Die schlechte Diagnose einer Patientin mitzuteilen, ist sicher nicht einfach.

Das ist jedes Mal schwierig. Auch wenn es zu meiner Arbeit gehört, gewöhne ich mich nie daran. Ich nehme mir viel Zeit für dieses Gespräch und erkläre nicht nur die Diagnose, sondern auch die nächsten Schritte. Dabei wird nichts beschönigt. Oft ist das aber auch der Moment, in dem aus dem initialen Schock wieder Hoffnung entsteht. Und ja, manchmal dauern diese Gespräche länger als geplant – aber das ist gut so.

Was bedeutet der Verlust einer Brust für eine Frau?

Einen tiefen Einschnitt. Für viele Frauen steht die Brust für Weiblichkeit, Identität und Intimität. Wir haben heute viele Möglichkeiten der Rekonstruktion – mit Implantaten oder körpereigenem Gewebe. Aber ich sage jeder Patientin: «Es ist ein Ersatz, nicht das Original. Und das werden Sie spüren.» Manche Frauen entscheiden sich bewusst gegen einen Wiederaufbau, auch das ist völlig in Ordnung. Wichtig ist, dass sie informiert entscheiden.

Brustkrebs gilt als frauenspezifische Erkrankung. Dabei sind auch Männer betroffen.

Wenn auch viel seltener: Pro Jahr erkranken in der Schweiz rund 50 Männer. Oft wissen die Betroffenen nicht einmal, dass Männer überhaupt Brustkrebs bekommen können. Und darin liegt das Problem: Sie gehen meist viel zu spät zum Arzt – und kommen deshalb mit fortgeschrittenen Tumoren zu uns. Wir im KSB-Brustzentrum haben jährlich zwei bis drei männliche Patienten in der Betreuung.

Welche Entwicklungen in den Therapien machen Ihnen Hoffnung?

In den letzten zehn Jahren hat sich enorm viel getan. Ich denke vor allem an die personalisierte Medizin. Wir können den Krebs auf molekularer Ebene analysieren, bestimmte Genveränderungen im Tumor erkennen und unsere Therapien genau darauf abstimmen. Besonders bei metastasiertem Brustkrebs verbessert das die Lebensqualität enorm: Ich habe Patientinnen, die trotz der Erkrankung arbeiten, reisen und fast wie vor der Diagnose leben.

Das Verhältnis zu Ihren Patientinnen ist Ihnen wichtig. Sie begleiten sie über viele Jahre.

Und das ist das Schöne an meinem Beruf. Ich sehe Frauen vor der Diagnose, während der Therapie und in der Nachsorge. Da entsteht oft eine enge Verbundenheit. 

Gibt es ein Lob einer Patientin, das Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?

(Überlegt) Da gibt es einige. Aber eine Patientin hat einmal mit ihrer Familie am «Pink Ribbon Charity Walk» in Zürich teilgenommen und hatte den Teamnamen «Cleo» gewählt. Ganz bewusst als Anspielung auf meinen Namen. Anschliessend hat sie mir das Foto von ihrer Familie mit den Startnummern geschickt. Das hat mich sehr berührt.

Zur Person:

Prof. Dr. Cornelia Leo leitet seit 2014 das Brustzentrum am KSB. Die gebürtige Sächsin und zweifache Mutter startet ihren Tag am liebsten mit einem Latte Macchiato. Am Klavier findet die Chefärztin den Ausgleich zum Spitalalltag.


Text: Simon David • Geprüft von: Prof. Dr. Cornelia Leo, Chefärztin Brustzentrum

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