Mythos 1: Palliative Care ist etwas für die letzten Tage
«Viele denken, Palliative Care beginne erst, wenn nichts mehr geht», sagt Meng Monfregola, Leiterin der Palliative Care am KSB. «Dabei können wir viel früher helfen – oft Monate oder sogar Jahre vor dem Tod.» Frühzeitige Palliative Care entlastet die Betroffenen und ihre Familien und ermöglicht ein aktiveres, selbstbestimmteres Leben. «Es geht darum, Symptome zu lindern, Ressourcen zu stärken Lebenszeit mit Lebensqualität zu füllen und auf schlechtere Zeiten vorbereitet zu sein.»
Mythos 2: Es geht einzig um Morphin
«Sobald das Wort ‹Morphin› fällt, haben viele Angst, es sei der Anfang vom Ende», berichtet Andrea Schneider, Fachspezialistin Palliative Care am KSB. Dabei sei Morphin ein wirksames und sicheres Medikament und bei Weitem nicht das Einzige. «Wir haben zahlreiche Behandlungsansätze gegen Schmerzen: warme Wickel, Massagen und Physio- und Musiktherapie oder kleine Ausflüge. Wichtig ist, dass wir die Patienten ablenken und aus ihrem Schmerz herausholen. Aber jeder Mensch ist anders – und genauso individuell gestalten wir die Therapie.»
Mythos 3: Palliative Care betrifft ausschliesslich Krebspatienten
Ganz und gar nicht. Tatsächlich betrifft die spezialisierte Betreuung Menschen mit verschiedensten chronisch fortschreitenden Erkrankungen: Herzinsuffizienz, COPD, neurologische Erkrankungen. «Wir betreuen auch Menschen mit seltenen oder altersbedingten Leiden», erklärt Monfregola. «Entscheidend ist nicht die Diagnose, sondern der Bedarf an Linderung und Unterstützung.»
Mythos 4: In der Palliative Care ist nur der Arzt zuständig
«Wir sind ein Team», betont Andrea Schneider im Brustton der Überzeugung. «Pflege, Ärztinnen, Seelsorge, Physiotherapie, Care Management oder die Freiwilligen der IDEM – wir alle tragen dazu bei, dass sich unsere Patientinnen und Patienten verstanden, gehalten und gut betreut fühlen.» Im Fokus stehe der Mensch in seiner Ganzheit, nicht nur seine Krankheit.
Mythos 5: Die Palliativstation ist eine Sterbestation
Ein verbreitetes Vorurteil, das Meng Monfregola klar widerlegt: «Natürlich begleiten wir auch im Sterbeprozess, aber viele unserer Patientinnen und Patienten gehen nach Hause zurück oder werden in eine Pflegeeinrichtung verlegt.» Die Palliativstation ist eher ein Ort der Stabilisierung, der Orientierung und der Planung. «Manche Patienten kommen mehrmals, manche nur kurz – aber alle mit dem Ziel, das eigene Leben wieder ein Stück in die Hand zu nehmen», erklärt die Ärztin.
Mythos 6: Die Zeit auf der Palliativstation verbringt man im Bett
«Unsere Patientinnen und Patienten haben Ziele. Sowohl kleine als auch grössere», erzählt Fachspezialistin Andrea Schneider. «Wir helfen ihnen, diese zu erreichen.» Das kann ein Spaziergang sein, das Gestalten eines letzten Festes, ein Gespräch mit den Enkelkindern. «Wir wollen, dass unsere Patienten wieder mobil und selbständiger werden.» Die Station bietet dafür Physiotherapie, kreative Angebote und viel Raum für persönliche Wünsche. Oder um es mit den Worten von Andrea Schneider zu sagen: «Bei uns liegt man nicht nur rum, hier lebt man auf.»
Mythos 7: Im Sterben darf man nicht mehr essen oder trinken
Ein schwieriges Thema, das viele Angehörige verunsichert. «Wenn Menschen im Sterbeprozess nicht mehr essen oder trinken wollen, ist das ein natürlicher Vorgang», erklärt Meng Monfregola. «Im Umkehrschluss heisst das aber nicht, dass sie verhungern oder verdursten.» Vielmehr passe sich der Körper dem Abschied an. Dabei wird er von der Palliativpflege unterstützt. Dazu gehört etwa eine angepasste Mundpflege. So wird ein kleines Sprayfläschchen mit Kaffee oder – auf Wunsch – mit Sekt und Bier gefüllt und die Patienten können damit ihren Lieblingsgeschmack noch einmal spüren. Zudem stillt es auch das Durstgefühl.
Mythos 8: Am Ende steht nur Leid
Völlig falsch! «Unser grösster Auftrag ist es, das Leid zu lindern», sagt Andrea Schneider mit Nachdruck. Schmerz, Atemnot, Angst – all das kann gut behandelt werden. «Niemand muss qualvoll sterben oder gar ersticken.» Im Gegenteil: Das Symptommanagement ist die Hauptaufgabe der Palliativstation am KSB. Dafür stehen moderne Mittel und ein erfahrenes Team bereit. «Es geht nicht darum», fügt Andrea Schneider an, «dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.»
Text: Simon David • Geprüft von: Meng Monfregola, Leiterin der Palliativstation


