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Was wirklich zählt: Drei junge Pflegende erzählen

3. Dezember 2025

Viviane Gassmann (25), Valentin Herzog (19) und Luca Jason Labhart (22) arbeiten auf der Palliativstation des KSB – dort, wo das Leben oft sein letztes Kapitel schreibt. Doch statt Resignation begegnen sie täglich Mut, Dankbarkeit und einer emotionalen Tiefe, die sie selbst verändert. Was macht es mit jungen Pflegefachkräften, wenn sie unheilbar Kranke begleiten? Woher nehmen Sie die Kraft? Und warum ist es für sie der ideale Job?

Valentin, kannst du dich an deinen allerersten Kontakt mit einem unheilbar erkrankten Patienten erinnern?

Valentin Herzog: Ja, das war noch im alten Spital. Ich habe dort einen Patienten bei der Körperpflege unterstützt – das war mein erster direkter Kontakt mit einer solchen Situation. 

Luca, was ist für dich besonders prägend an deiner Arbeit?

Luca Jason Labhart: Dass man trotz der Aussichtslosigkeit noch ganz viel bewirken kann. Es geht um mehr als nur Pflege – es geht darum, die Lebensqualität zu verbessern, Symptome zu lindern, mitzutragen. In der Palliative Care steht nicht mehr die Heilung im Zentrum, sondern das Menschsein. Hilfe bei Entscheidungen, Gespräche führen, bei der täglichen Routine unterstützen – das alles gehört dazu. Manche entwickeln in dieser letzten Lebensphase eine ganz neue Sicht aufs Leben. Das sind oft sehr spannende und tiefe Gespräche.

Wie erlebt ihr Palliative Care?

Viviane Gassmann: Was ich in der Palliativpflege besonders schätze, ist, dass man den Menschen auch dann noch helfen kann, wenn es medizinisch nichts mehr zu «heilen» gibt. Stattdessen steht die Lebensqualität im Zentrum: Symptome lindern, bei Alltäglichem helfen, einfach da sein. Und oft entwickeln die Patientinnen und Patienten, wenn sie realisieren, dass ihre Zeit begrenzt ist, eine beeindruckende Ehrlichkeit. 

Valentin Herzog: Und gerade weil es nicht mehr um Heilung geht, ist unsere Aufgabe nicht weniger bedeutend. Jeder Mensch hat andere Bedürfnisse – und unser Ziel ist es, auf diese so gut wie möglich einzugehen. Das macht auch unsere Beziehung zu den Patientinnen und Patienten besonders.

Ist das emotional nicht sehr schwierig?

Valentin Herzog: Wenn man jemanden über längere Zeit begleitet hat, Entwicklungen miterlebt hat – und es dann plötzlich schnell bergab geht, dann unter Umständen schon. Insbesondere wenn man am Vortag noch Fortschritte gesehen hat und dann kommt man am nächsten Tag zur Arbeit und merkt, die Person hat Schmerzen, Übelkeit – ist plötzlich sehr schlecht dran. Das belastet.

Luca Jason Labhart: Es trifft einen, wenn man schon eine Beziehung aufgebaut hat. Ich erinnere mich an eine Frau zwischen 40 und 50, die ich über ein Jahr hinweg immer wieder betreut habe. Man kennt sich, man lacht auch mal zusammen. Und irgendwann kommt der Moment, in dem man sie in der Sterbephase begleitet. Ich habe auch ihren Sohn und die Familie kennengelernt. Gerade der Schmerz der Angehörigen lässt einen beim Abschied nicht kalt.

Arbeiten auf der Palliativstation als Junior
Lieben ihre Arbeit auf der Palliativstation: Luca Jason Labhart, Viviane Gassmann und Valentin Herzog (v. li.).

Wie geht ihr mit solchen Erlebnissen um?

Viviane Gassmann: Man nimmt das manchmal mit nach Hause. Wenn jemand verstorben ist, denkt man darüber nach, fragt vielleicht bei Kolleginnen nach, wie es weiterging. Wir tauschen uns auch regelmässig aus. Das hilft. Und auch das Gefühl, Teil eines guten Teams zu sein.

Luca Jason Labhart: Ich spreche oft mit meiner Mutter oder meiner Freundin darüber. Wenn ich es aussprechen kann, geht es besser. Mir gelingt das in der Regel ganz gut. Es trifft mich eher, wenn jemand stirbt, der im gleichen Alter ist wie ich oder nicht viel älter. Deshalb bin ich auch umso dankbarer, dass ich gesund bin.

Gab es eine Begegnung, die euch in Erinnerung geblieben ist?

Viviane Gassmann: Ja, eine Frau mit einer unheilbaren Erkrankung, die ich regelmässig betreut habe – sie hatte drei Kinder. Direkt nach ihrem Tod habe ich mit ihrem Mann gesprochen, der mir dann buchstäblich in die Arme gefallen ist. Diese Umarmung war für ihn wichtig – und sie war auch für mich in Ordnung. In so einem Moment merkt man: Das war jetzt richtig. Das hat geholfen.

Luca Jason Labhart: Diese Dankbarkeit ist wirklich besonders. Viele Menschen haben Angst vor einem Spitalaufenthalt. Und wenn sie merken, dass sie bei uns gut aufgehoben sind, dann ist das spürbar. Niemand kommt freiwillig zu uns – aber wenn ein Lächeln oder ein einfaches «Danke» kommt, ist das für mich eine grosse Bestätigung.

Viviane Gassmann: Auch von den Angehörigen spürt man das oft. Einige sagen, sie hätten Angst gehabt, vor dem, was kommt – und dann erleben sie, dass jemand da ist, der zuhört, der Zeit hat. Das ist ein Geschenk.

Was macht die Palliative Care im Vergleich zu anderen Pflegebereichen für euch aus?

Viviane Gassmann: Ich finde, hier gibt es ein gutes Gleichgewicht zwischen Herausforderung und schönen Momenten. Man wird emotional stark gefordert, aber man darf auch sehr viel geben – und bekommt mindestens genauso viel zurück. Wir begleiten oft über Wochen oder Monate. Das ist keine schnelle Pflege.

Sondern?

Valentin Herzog: In der Akutpflege ist alles zeitlich durchgetaktet. Alles muss sehr rasch gehen. Bei uns ist es anders – man darf auch mal einfach «nur da» sein. Das heisst: Wir sind nicht nur medizinisch da, sondern auch menschlich. Das ist ein grosser Unterschied.

Und trotz der Schwere, die manchmal mitschwingt, gibt euch dieser Beruf viel zurück.

Viviane Gassmann: Ganz viel. Ich habe von Patientinnen und Patienten so viel gelernt. Viele sagen einem Dinge wie: «Geniesse dein Leben.» Oder: «Klär deine Streitigkeiten.» Das sind Lebensweisheiten, die bleiben. Ich nehme mein eigenes Leben viel bewusster wahr.

Valentin Herzog: Ich kann mir keinen anderen Beruf vorstellen, in dem man so viel Dankbarkeit erhält. Und in dem man sich gleichzeitig so entwickeln kann – auch als Mensch.

Luca Jason Labhart: Man lernt, was wirklich zählt. Und dass man in den entscheidenden Momenten etwas geben kann, das bleibt. Diese Arbeit fordert – aber sie verändert auch. Und das auf eine gute Weise.


Text: Simon David • Geprüft von: Meng Monfregola, Leiterin der Palliativstation