Möchten Sie wissen, woher Ihre Rückenschmerzen stammen? Das Fachpersonal der Rheumatologie am KSB klärt ab, ob eine rheumatologische Krankheit vorliegt oder ob die Schmerzen einen anderen Ursprung haben.
Zur RheumatologieAndreas Thueler, was ist überhaupt ein Hexenschuss?
Ein Hexenschuss ist einfach gesagt ein Schmerz im Rücken. Oft hat dieser mechanische Ursachen. Das heisst, die Wirbel bewegen sich nicht stimmig miteinander, weil Bänder und Muskeln sie zu wenig fixieren. Bei einer ungewohnten, verdrehten Bewegung reiben dann die Gelenke aneinander, an denen die Wirbelkörper miteinander verzahnt sind. Das verursacht starke Rückenschmerzen. In seltenen Fällen entsteht der Schmerz durch einen Bandscheibenvorfall.
Was ist der Grund, dass Sehnen und Muskeln zu wenig Halt geben?
Bei den Bändern liegt es meist daran, dass sie sehr dehnbar sind. Vor allem bei jungen Frauen sind elastische Bänder häufig die Ursache eines Hexenschusses. Bei der Muskulatur ist es etwas komplizierter: Man unterscheidet zwischen Halte- und Bewegungsmuskulatur. Letztere können wir gezielt steuern, Erstere nicht: Sie funktioniert selbständig, ähnlich wie der Blasenmuskel und die Beckenbodenmuskulatur. Bildet sich die Haltemuskulatur im Rücken zurück und wird zu schwach, fehlt den Wirbeln diese Stütze, und die Bewegungsmuskulatur muss deren Aufgabe übernehmen.
Kann sie das denn nicht?
Nur kurzfristig für maximal eine Stunde. Danach ist sie überlastet und verkrampft sich. Auch das tut weh und ist der Grund für anhaltende Rückenschmerzen bei einem Hexenschuss.
Sofort zum Arzt mit diesen Symptomen
Leiden Sie aufgrund eines Hexenschusses an einem der folgenden Symptome? Sie weisen darauf hin, dass etwas mit den Nerven nicht stimmt. Dann gehen Sie unverzüglich in ärztliche Behandlung.
- Nächtliche Rückenschmerzen
- Fieber
- Lähmungserscheinungen
- Gefühlsstörungen
- Inkontinenz (Stuhl oder Urin)
- Erektionsstörungen
Angenommen, ich erleide einen Hexenschuss. Wie reagiere ich am besten?
Schonen Sie sich kurzfristig. Vielen hilft Wärme – eine warme Bettflasche oder ein Wärmepflaster. Wenn das nichts nützt, dann lindern Schmerzmittel die Beschwerden.
Wie lange kann ich denn mit Bettflaschen und Schonung gegen den Hexenschuss ankämpfen?
Nach drei Tagen sollten sich die Beschwerden deutlich bessern. Wichtig ist: nicht nur im Bett liegen. Es hilft, sich zu bewegen, so gut es geht. Das lockert die Muskeln. Es gibt allerdings auch Anzeichen, bei denen man keine drei Tage warten sollte.
Bei welchen Anzeichen muss ich sofort zum Arzt?
Bei nächtlichen Rückenschmerzen und Fieber. Dann hat der Schmerz meistens keine mechanische Ursache, und das sollte man abklären lassen. Auch wenn Lähmungserscheinungen auftreten oder Gefühlsstörungen anhalten, sollte man in ärztliche Behandlung. Als Notfall gelten Stuhl- und Urininkontinenz oder Erektionsstörungen.
Weshalb sind das Notfälle?
Dann sind nicht nur ein Wirbelgelenk, Bandscheiben oder Muskeln betroffen, sondern auch ein Nerv. Die Bandscheibe kann zwischen den Wirbeln hervorgleiten und auf den Nerv drücken. Meistens ist dann der Schmerz im Bein stärker als jener im Rücken, weil es sich um einen anhaltenden Nervenschmerz handelt, vergleichbar mit Zahnschmerzen. Diesen Schmerz kann man nicht ignorieren.
Muss man den Hexenschuss dann operieren?
Besteht Druck auf Nerven, die zu Blase, Darm und Genitalien führen, muss man innerhalb von spätestens 48 Stunden operieren. Sonst stirbt dieser empfindliche Nerv ab. Die betroffene Person wäre dann für den Rest ihres Lebens inkontinent oder impotent. Das kommt zwar sehr selten vor, ist dann aber eine Katastrophe.
Wie stellen Sie die Diagnose?
Wenn die Schmerzen nicht in die Beine ausstrahlen, nach drei Tagen aber noch nicht abgeklungen sind, machen wir eine klinische Untersuchung und eventuell ein Röntgenbild. Strahlen die Schmerzen aus und bestehen Lähmungserscheinungen, machen wir ein MRI. Darauf sieht man auch die Nerven und Muskeln.
Wie kann man einen mechanisch bedingten Hexenschuss therapieren?
Oft helfen kurze Schonung mit Wärmeanwendungen oder auch Schmerzmittel. Will man aber langfristig schmerzfrei bleiben, muss man seine Rückenmuskeln trainieren – vor allem die Haltemuskeln.
Wie geht das? Sie haben ja vorhin erklärt, dass man diese nicht aktiv steuern kann.
Genau. Aber mit den richtigen Übungen und einer Physiotherapie-Begleitung kann man auch diese Muskeln aufbauen.
Was kann ich präventiv gegen einen Hexenschuss tun?
Ihrem Rücken Sorge tragen, sich bewegen und die Muskulatur stärken. Insbesondere Bandscheibenvorfälle treten familiär gehäuft auf. Meine jüngste Patientin war erst neun Jahre alt. Weiss jemand, dass er gefährdet ist, sollte er schon früh mit gezieltem Training beginnen und auf strapazierende Sportarten wie Ballsportarten verzichten.
Abklärung in der Sprechstunde
Tamara Tiefenauer • Geprüft von: Andreas Thueler, Chefarzt Rehabilitation & Rheumatologie