Hat Ihr Kind plötzlich Atemnot? Glauben Sie, dass es etwas verschluckt hat? Sind Sie unsicher, ob man den Gegenstand herausholen muss? Rufen Sie unser interdisziplinäres Notfallzentrum an. Wir beraten Sie und leisten rasch Nothilfe.
Zum NotfallzentrumNilo hustet und würgt, erbricht sich fast. Speichel tropft aus seinem Mund, sein Kopf läuft rot an. Seine Mutter fährt hoch. Eben hat er noch ruhig gespielt. Sie hat sich einen Blick auf das Handy erlaubt. Und jetzt das! Sie hebt ihren kleinen Sohn hoch, guckt in seinen Mund, fährt mit dem Finger tastend hinein – nichts. Hat er etwas verschluckt? Wird er daran ersticken?
«Ein heftiger Hustenanfall aus dem Nichts ist ein Alarmzeichen», erklärt Dörthe Harms, Leitende Ärztin Kinder- und Jugendmedizin am KSB. Grund dafür kann ein Gegenstand sein, der sich vor die Luftröhre gelegt hat oder in die Lunge geraten ist. Eltern sollten in einer solchen Situation beherzt versuchen, den Gegenstand zu entfernen. «Bekommt ein Kind keine Luft und kann den Gegenstand nicht selbst aushusten, ist schnelles Handeln erforderlich», sagt die Spezialistin für pädiatrische Notfallmedizin. Bis die Ambulanz ankommt, kann es dauern. «Haben Sie keine Angst, etwas Falsches zu tun. Denn schon wenige Minuten ohne Sauerstoff sind lebensbedrohlich und können schwere Schäden verursachen», sagt Dörthe Harms.
Erste Hilfe bei Atemnot
Bei Kindern ab einem Jahr empfiehlt Dörthe Harms das Heimlich-Manöver: Der Ersthelfer steht oder kniet hinter dem Kind und beugt es nach vorne. Er ballt eine Faust und positioniert sie zwischen Bauchnabel und Unterrand des Brustbeins. Die andere Hand umfasst die Faust, dann zieht der Helfer die Hände kräftig und ruckartig nach innen-oben. Der entstehende Druck katapultiert den Fremdkörper hoffentlich aus den Atemwegen. Wenn nötig den Vorgang bis zu fünfmal wiederholen.
Für Kinder unter einem Jahr ist das Heimlich-Manöver nicht geeignet, da es zu Verletzungen führen kann. Einen Säugling hält man daher in Bauchlage und mit dem Kopf nach unten. Dann gibt man mit dem Handballen bis zu fünf gezielte Schläge zwischen die Schulterblätter, um den Gegenstand zu lösen.
Solange das Kind ausreichend Luft bekommt, haben Eltern etwas mehr Zeit zum Reagieren. Dennoch sollten sie rasch Hilfe holen oder das Kind beim Kinderarzt oder auf dem Notfall vorstellen. Bleibt ein Gegenstand länger in den Atemwegen, ruft er möglicherweise eine Infektion hervor. Um einen Fremdkörper aus den Atemwegen zu entfernen, ist eine Spiegelung der Luftröhre und der Bronchien unter Narkose nötig. «Vielleicht findet man dabei ein Stück Karotte, ein Stück zerbrochenen Spiegel – das ist alles schon vorgekommen», erzählt die Ärztin.
Verschluckt oder eingeatmet?
Husten heisst nicht zwingend, dass dem Kind etwas in «den falschen Hals», also in die Atemwege geraten ist. Auch ein feststeckender Fremdkörper in der Speiseröhre kann Husten auslösen. «Wir unterscheiden zwischen dem Aspirieren eines Gegenstandes und dem Verschlucken. Beim Aspirieren gelangt ein Gegenstand in die Atemwege, beim Verschlucken in die Speiseröhre oder den Magen», präzisiert Dörthe Harms.
Prävention ist der beste Schutz
Es ist gut, zu wissen, was man im Notfall tun soll. Noch besser ist es, den Notfall zu vermeiden. Dazu können Eltern viel beitragen. «Betrachten Sie Ihre Wohnung aus der Perspektive Ihres Kindes», rät Dörthe Harms. «Fragen Sie sich, welche Schubladen es erreichen und öffnen kann.» Die Ärztin empfiehlt Eltern, die Wohnung systematisch nach Gegenständen abzusuchen, die das Kleinkind verschlucken könnte. Und aktiv darüber nachzudenken, was sie ihrem Kind in die Hände geben. Kleinteiliger Schmuck, kleinteilige Werkzeuge, Spielzeuge, aber auch Lebensmittel wie Karotten- oder Apfelstücke, Nüsse, Erbsen können bei Kleinkindern zu schweren Atemproblemen führen. Sie sind unbedingt ausser Reichweite von kleinen Händen aufzubewahren.
Steckt etwas im Rachen oder in der Speiseröhre, fliesst den Kindern oft Speichel aus dem Mund: Ist die Speiseröhre blockiert, kann der Speichel nicht in den Magen abfliessen. Ältere Kinder klagen manchmal über ein Engegefühl oder Schmerzen hinter dem Brustbein.
Ein Vergleichsobjekt mitnehmen
Die gute Nachricht: Wenn sich etwas in der Speiseröhre verkeilt hat, ist dies in der Regel nicht unmittelbar lebensbedrohlich. Dennoch sollten Sie zeitnah ärztlichen Rat suchen. Lassen Sie das Kind untersuchen. Wissen Sie, was das Kind verschluckt hat? Bringen Sie wenn möglich ein Vergleichsobjekt mit. So wissen die Ärzte, wonach sie suchen müssen.
Nadeln, Schrauben, abgebrochene Kunststoffteilchen: Allein der Gedanke jagt Eltern eine Gänsehaut über den Rücken. Doch nicht alles, was scharfkantig ist, ist auch gefährlich: «Spitze und scharfe Gegenstände können den Darm oft von Kot ummantelt ohne Probleme passieren und landen dann im Klo.» Bei folgenden Gegenständen kann es aber gefährlich werden. Deshalb muss man sie oft mit Magenspiegelung entfernen:
- Gegenstände, die in der Speiseröhre steckenbleiben, z.B. Münzen oder Knopfbatterien: In der Speiseröhre gibt es drei anatomische Engen, in denen Fremdkörper häufiger hängenbleiben. Dadurch entsteht Druck auf die Schleimhaut, und die Schleimhaut kann innerhalb weniger Stunden absterben. Aus dem so entstehenden Loch fliessen dann Sekret und Bakterien in den Brustkorbraum. Deshalb müssen festsitzende Gegenstände in der Regel innert sechs Stunden entfernt werden. Knopfbatterien (besonders Lithiumbatterien), die in der Speiseröhre stecken, sollten möglichst innert zwei Stunden entfernt werden. Selbst bei leeren Knopfbatterien kommt es in der Feuchte zu einem Stromfluss und zu Bildung von Stoffen, die schnell zu Verätzungen bzw. Verletzungen der Schleimhaut führen.
- Mehrere Magnete oder die Kombination aus einem Magnet und einem metallischen Fremdkörper: Mehrere Magnete oder Magnet-/Metallkomplexe können im Darm aneinanderhaften und dabei die Darmwand einklemmen. Dadurch stirbt das Gewebe ab. Es entsteht ein Loch, durch das Magensäure oder Darminhalt in den Bauchraum geraten und eine schwere Infektion verursachen.
Kot untersuchen: Eklig, aber unvermeidlich
Wenn Objekte den Magen schon passiert haben, kann man sie in der Regel nicht mehr herausholen. Da heisst es abwarten, bis sie durch den Darm gewandert sind. Dörthe Harms’ Tipp: «Um sicherzugehen, dass der verschluckte Gegenstand den Körper ihres Kindes verlassen hat, müssen Eltern den Kot nicht nur anschauen, sondern – natürlich mit Handschuhen – in die Hand nehmen und genau untersuchen.»
Nilo hatte Glück. Seine Mutter rief die Kinderärztin an und konnte sofort vorbeigehen. Der Blick aufs Röntgenbild machte alles klar: Nilo hatte ein Metallteilchen verschluckt. Nilo bekam viel zu trinken, ass sogar ein Stück Weggli, und das Würgen liess nach. Mit dem Auftrag, seinen Stuhl zu kontrollieren, kehrte seine Mutter nach Hause zurück.
Notfallzentrum am KSB
Text: Julia Guran • Geprüft von: Dörthe Harms, Leitende Ärztin Kinder- und Jugendmedizin