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Krebsfatigue: Das unterschätzte Syndrom

22. Juli 2024

Bleierne Müdigkeit schon kurz nach dem Aufstehen, Schlaf, der keine Erholung bringt: Das ist Krebsfatigue. Sie kommt mit der Chemotherapie und geht manchmal nicht mehr weg. Dennoch gibt es Wege zurück in den Alltag. Onkologin Stefanie Pederiva erzählt im Podcast, wie sie Betroffene begleitet.

Stellen Sie sich vor, Sie stehen morgens auf und merken, dass Ihnen die Kraft fehlt, sich anzuziehen. Sie sollten Ihre Kinder zur Schule schicken, den Geschirrspüler ausräumen, die Wäsche aufhängen – und schaffen es nicht: Ihr Körper und Ihr Geist sind massiv geschwächt. Dieser Zustand emotionaler, geistiger und körperlicher Erschöpfung nennt sich Krebsfatigue oder tumorbedingte Fatigue. Etwa vier von fünf Krebspatienten leiden während der Krebstherapie darunter – bis zu einem halben Jahr lang.

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«Fatigue ist die häufigste Nebenwirkung einer Chemotherapie – weit häufiger als Übelkeit, Erbrechen und Haarausfall.»

Stefanie Pederiva

Leitende Ärztin Onkologie/Hämatologie

Bei etwa einem Drittel weichen die Symptome auch nicht, wenn der Krebs längst besiegt ist oder die Tumortherapie abgeschlossen. Ständige Müdigkeit und Erschöpfung gelten als häufigste Nebenwirkungen einer Chemotherapie. Sie sind häufiger als die bekannten Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und Haarausfall.

Ist es Krebsfatigue oder eine Depression?

Obwohl sehr häufig, ist Krebsfatigue als Phänomen wenig präsent oder nicht anerkannt. Ärzte, Versicherungsgesellschaften, Familienangehörige, ja die Patienten selbst haben Mühe, die Symptome einzuordnen. Fehlt es an gutem Willen? Simulieren die Betroffenen bloss, oder wollen sie Mitleid heischen? Steckt eine andere Krankheit dahinter, zum Beispiel eine Depression?

Erst andere Krankheiten ausschliessen

Tatsächlich ist Krebsfatigue schwer zu fassen. «Die Krankheit ist nicht messbar», sagt Stefanie Pederiva, Leitende Ärztin Onkologie/
Hämatologie am KSB. Für die Diagnose schliessen sie und ihr Team in einem ersten Schritt andere Krankheiten aus, die ähnliche Beschwerden hervorrufen können: Depression, Mangelernährung oder hormonelle Störungen sowie Fehlfunktion der Nieren, des Gehirns oder der Schilddrüse. Zudem erstellt die Onkologin bei betroffenen Krebspatienten ein Rating, das die Beschwerden klassiert – in leicht, mittel oder schwer. Sind die Beschwerden mittel bis schwer, ist Handeln angezeigt.

Die Tablette gegen Krebsfatigue gibt es nicht

Doch die Tablette gegen Krebsfatigue gibt es leider nicht. «Das muss der Patient verstehen, und das dauert manchmal ein wenig», sagt Pederiva. Also sucht sie andere Behandlungswege. Mit psychosozialer, psychoonkologischer und physiotherapeutischer Unterstützung begleitet Pederiva ihre Patienten hinaus aus der Erschöpfungsfalle. «Dazu gehört die Akzeptanz der Krankheit», sagt sie. «Wie kann ich überzogene Ansprüche an mich herunterschrauben? Wie kann ich mich motivieren, das empfohlene Mass an Bewegung zu erreichen?» Das sind Fragen, die sie mit Betroffenen aufgreift.

Aktiv bleiben ist das A und O

Körperliche Aktivität ist laut Pederiva das A und O bei der Behandlung von Krebsfatigue. «Ich sage jetzt bewusst nicht ‹Sport›», betont die Onkologin. Zwei bis drei Stunden pro Woche im aeroben Bereich, also bei 70 bis 80 Prozent der maximalen Herzfrequenz, können schon genügen. Vielleicht ist ein Spaziergang, ja der Gang zum nächsten Briefkasten zu Beginn bereits Herausforderung genug. «Das Programm ist sehr individuell. Es hängt davon ab, was den Patienten Spass macht, was ihnen liegt und was sie wollen.»

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Müde ist nicht das richtige Wort: Krebspatienten mit Fatigue-Syndrom leiden unter extremer Erschöpfung und Antriebslosigkeit.

Begleitet werden sie dabei von Psychoonkologen und Physiotherapeuten, etwa mit medizinischer Trainingstherapie. «So sind sie eingebunden, angeleitet und kontrolliert», meint Pederiva. «Wir üben einen sanften Zwang aus, um die Patienten in eine Aufwärtsspirale zu bringen.» Je aktiver diese sind, desto besser fühlen sie sich, und desto mehr Lust auf Bewegung haben sie.

Leben mit der Krebsfatigue

Dennoch: In vielen Fällen verschwindet die Krebsfatigue nicht mehr. Pederivas Therapieziel ist dann, die Fatigue zurückzudrängen, um den Patienten einen möglichst normalen Alltag zu ermöglichen. Dank Reha-Massnahmen sei es heute leichter möglich, Fatigue-Patienten wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren, freut sich die Onkologin. Gelungen ist ihr dies beispielsweise im Fall der Krebspatientin Katharina.

Zum Podcast

Krebstherapie am KSB

Fühlen Sie sich seit Ihrer Krebstherapie antriebslos, schlapp und erschöpft? Dann leiden Sie vielleicht unter Krebsfatigue. Die Spezialisten am KSB nehmen Ihre Beschwerden ernst und helfen Ihnen, wieder Kraft zu schöpfen.

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Text: Julia Guran • Geprüft von: Dr. med. Stefanie Pederiva, Leitende Ärztin Onkologie/Hämatologie

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