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«Brustkrebs definiert nicht, wer ich bin»

28. August 2024

Von heute auf morgen verändert sich alles: Bei der Schriftstellerin Ruth Schweikert wird aggressiver Brustkrebs diagnostiziert. Sie beginnt darüber zu schreiben. Zunächst mangels Kraft nur Notizen, später wird es ein Buch. Hier erzählt sie über ihre Erfahrungen mit der Krankheit.

Diagnose: aggressiver Brustkrebs. Sie habe dadurch über Nacht die «Staatsbürgerschaft im Reich der Gesunden» verloren. Das schreibt die Zürcher Schriftstellerin Ruth Schweikert in ihrem Buch «Tage wie Hunde» (siehe Box). Dieses beginnt am Tag der Diagnose. Es soll den Prozess abbilden, das Hin und Her zwischen Spital und Alltag, zwischen Hoffnung und Angst. Hier spricht sie über das veränderte Gefühl zum eigenen Körper und was ihr im Umgang mit der Krankheit half und noch immer hilft.

Ruth Schweikert, im Februar 2016 erhielten Sie die Diagnose «aggressiver Brustkrebs». Welche Gedanken gingen Ihnen durch den Kopf?

Die Diagnose kam nicht aus heiterem Himmel – ich hatte zuvor einen Knoten in der Brust ertastet und ging deshalb zu meiner Frauenärztin. Sie machte einen Ultraschall und überwies mich ins Spital für eine Mammografie. Nach einer Gewebeprobe war dann klar, dass es ein sehr aggressiver Tumor war. Im ersten Moment wollte ich es nicht wahrhaben. Solange die Diagnose nicht feststand, hatte ich ja nur eine Ahnung. Und daraus wird plötzlich unverrückbare Realität.

Wie gingen Sie damit um?

Reflexartig wusste ich sofort: Darüber schreibe ich. Ich wollte der Zuschreibung «Krebs» eine andere Beschreibung entgegensetzen. Oft fehlte mir jedoch am Anfang die Kraft, oder ich fand die richtigen Worte zum Schreiben nicht. Deshalb verfasste ich während der Therapiezeit vor allem Notizen, die ich erst später zu einem Buch zusammenfügte.

Wann begann die Therapie?

Unmittelbar. An einem Dienstag erhielt ich die Diagnose, am Freitag hatte ich ein Vorgespräch, am Montag trat ich ins Spital ein und wurde am Dienstagmorgen operiert. Fünf Tage später konnte ich das Spital bereits wieder verlassen.

«Durch die Diagnose aggressiver Brustkrebs habe ich über Nacht die ‹Staatsbürgerschaft im Reich der Gesunden› verloren.»

Ruth Schweikert
Keine Chemotherapie?

Ob ich eine Chemotherapie machen würde oder nicht, war keine einfache Entscheidung. Mir ging es nach der Operation sehr gut, körperlich und geistig. Deshalb war ich zunächst unsicher, ob ich mir eine Chemo antun wollte. Aber ich hatte einen sehr aggressiven Brustkrebs, deshalb habe ich mich dafür entschieden.

War die Chemotherapie so schlimm wie erwartet?

Unterschiedlich. Meistens ging es mir gut. Die Therapie dauerte knapp ein halbes Jahr, und ich war nebenbei immer freiberuflich tätig, erarbeitete ein Ausstellungskonzept für ein Museum und hatte Lesungen. Nur selten musste ich etwas absagen, weil ich zu erschöpft war. Das Schwierigste in dieser Zeit war für mich das Ausgeliefertsein, keine Herrschaft mehr zu haben über meinen Körper. Mit der Chemo geschah etwas, worauf ich keinen Zugriff hatte.

Wie gingen Sie damit um?

Es war mir immer wichtig, dass ich selber entscheiden konnte, was mit mir passiert. Ich wollte nicht über mich bestimmen lassen. Zudem legte ich Wert darauf, mich nicht nur als Krebspatientin zu sehen, sondern weltoffen zu bleiben und mich für andere Menschen zu interessieren. Brustkrebs sollte nicht definieren, wer ich bin. Und ich machte mir bewusst, dass es Räume gibt, die davon nicht betroffen sind.

«Ich legte Wert darauf, mich nicht nur als Krebspatientin zu sehen, sondern weltoffen zu bleiben und mich für andere Menschen zu interessieren. Krebs sollte nicht definieren, wer ich bin.»

Ruth Schweikert
Haben Sie sich nebst der Arbeit bewusst solche Räume geschaffen?

Ja. Während der Chemo kam jeden Abend jemand aus der Familie oder dem Freundeskreis zu Besuch. Das war hilfreich für beide Seiten: Ich hatte Ablenkung, und mein Umfeld konnte mich konkret unterstützen, beim Kochen zum Beispiel, oder mit einem der Söhne was unternehmen. Denn für mein Umfeld war es ja auch schwierig; viele wollten helfen, wussten aber nicht wie. Deshalb waren sie froh, dass ich genau sagte, was sie für mich tun konnten.

Während der Therapie wurden Sie operiert, Ihnen fielen die Haare aus, Sie mussten akzeptieren, dass andere besser über Sie Bescheid wussten als Sie selbst. Wie haben diese Erfahrungen die Einstellung zum eigenen Körper verändert?

Ich kümmere mich mehr um ihn – treibe regelmässig Sport und ernähre mich gesund. Ich bin jetzt fitter als vor der Krankheit. Aber stärker verändert habe ich mich äusserlich. Die Haare wuchsen nach der Chemo grau nach, meine Haut ist trockener und fahler. Mit diesem plötzlichen Altern habe ich bis heute Mühe. Es war kein Alterungsprozess, sondern passierte sehr schnell.

Nach fünf Jahren gilt man als geheilt. Bei Ihnen sind seit der Therapie drei Jahre vergangen. Haben Sie Angst vor einem Rückfall?

Diese Momente gibt es. Ich versuche, sie wahrzunehmen, der Angst ins Gesicht zu schauen, bis sie sich wieder für eine Weile verzieht. Das hört sich fast spirituell an, aber mir hilft es, mit der Ungewissheit umzugehen. Phrasen wie «Denke positiv!» bringen mir nichts. So würde ich die Angst nur verdrängen. Zudem mache ich eine Misteltherapie. Das hilft mir, weil ich weiss, dass ich etwas gegen den Krebs mache. Zentral bei allem ist aber, dass ich gelernt habe, meinen Überlebenswunsch anzunehmen – ohne zu wissen, wie lange er sich erfüllt. 

Vorsorgeuntersuchungen am KSB

Nach der Tastuntersuchung ist die Mammografie, die Röntgenuntersuchung der Brust, die nächste wichtige Abklärungsmöglichkeit. Alle Frauen über 50 Jahre sollten diese alle zwei Jahre durchführen lassen. Melden Sie sich dazu für die Brustsprechstunde am KSB an.

Zur Brustsprechstunde

Text: Tamara Tiefenauer

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