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Ein Leben ohne Schmerzen: Wie das KSB Endometriose-Patientinnen hilft

6. März 2025

In der Schweiz leiden rund 190'000 Frauen an Endometriose – einer schmerzhaften Krankheit, die oft unentdeckt bleibt. Das Problem: Endometriose tarnt sich hinter verschiedenen Symptomen. Doch was steckt dahinter? Wie kann den Betroffenen geholfen werden? Dr. med. Mark Ormos, Leitender Arzt des im Jahr 2024 zertifizierten Endometriosezentrums im KSB, verrät, was jede Frau wissen sollte – und warum die richtige Diagnose vieles verändern kann.

Herr Dr. Ormos, was muss man sich unter Endometriose vorstellen?

Endometriose ist eine chronische, gutartige Erkrankung, bei der gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe ausserhalb der Gebärmutter wächst. Das kann unterschiedliche Beschwerden verursachen, zum Beispiel extreme Schmerzen im Unterleib, Rücken oder Oberbauch. In manchen Fällen treten die Schmerzen sogar im Schulterbereich – etwa bei Zwerchfell-Endometriose. Ausserdem können im ganzen Körper Beschwerden auftreten. Dazu gehören sehr oft häufiges Wasserlösen und Harndrang, Probleme bei der Darmtätigkeit, Bauchkrämpfe sowie Blähungen. Die Fruchtbarkeit kann ebenfalls beeinträchtigt sein, im schlimmsten Fall kann Endometriose zur Unfruchtbarkeit führen. 

Bis vor wenigen Jahren wurden solche Schmerzen bei Frauen noch als Menstruationsbeschwerden abgetan.

Inzwischen hat sich viel getan. Auch die Forschung und Politik widmen sich seit einigen Jahren mit mehr Aufmerksamkeit dieser Krankheit. Weil durchschnittlich eine von zehn Frauen von Endometriose betroffen ist, hat die Gesellschaft eine grössere Sensibilität dafür entwickelt. Nicht selten vermuten die Patientinnen selbst eine Endometriose und melden sich bei uns. Trotzdem gibt es häufig eine relevante Zeitverzögerung zwischen dem Auftreten der Symptome und Behandlung, insbesondere weil die Symptome so vielfältig sein können.

Was ist die Ursache für Endometriose?

Eine berechtigte Frage, auf die wir noch keine Antwort haben. Es gibt unterschiedliche Theorien. Die anerkannteste ist die der retrograden Menstruation, die bei bis zu 90 Prozent der Frauen vorkommt. Das bedeutet, dass ein Teil des Blutes und der Gebärmutterschleimhaut über die Eileiter in die Bauchhöhle fliessen. Bei den meisten Frauen wird die Schleimhaut dort wieder durch das Immunsystem abgebaut, bei Endometriose-Patientinnen aber nicht. Warum das so ist, wissen wir aber nicht genau.

Mark Ormos

«Ein zentrales Ziel der Behandlung ist die Verbesserung der Lebensqualität.»

Dr. med. Mark Ormos

Leitender Arzt

Woran erkennen Sie, dass es sich bei den Beschwerden einer Patientin um Endometriose handelt?

In der Regel kann bereits nach Erheben der Krankengeschichte die Verdachtsdiagnose gestellt werden. Häufig braucht es aber viel Expertise und Erfahrung, die Endometrioseherde zu entdecken. Neben der klinischen Untersuchung spielt der vaginale Ultraschall eine zentrale Rolle. In unserem Endometriosezentrum sind die Kolleginnen und Kollegen speziell ausgebildet. Das Ziel ist, im optimalen Fall die kleinsten Endometrioseherde ab einigen Millimetern darzustellen. Seltener, vor allem bei nicht typischen Fällen, muss ein MRT durchgeführt werden. Die Bauchspiegelung ist heutzutage nicht mehr der Goldstandard der Diagnose. Wenn wir eine Operation durchführen, ist die Diagnose sicher: Die Verdachtsdiagnose Endometriose wird in den allermeisten Fällen bestätigt und die Herde entfernt. 

Wie kann Endometriose behandelt werden?

Eine Behandlung ist nicht immer notwendig. Häufig verläuft die Erkrankung ohne Beschwerden. Manchmal führen wir nur die regelmässigen Untersuchungen durch – ohne Therapie. Wenn die Beschwerden aber die Lebensqualität stark beeinträchtigen oder der Kinderwunsch unerfüllt bleibt, wird eine Behandlung vorgenommen. Bei der Konsultation besprechen wir die Situation mit der Patientin sehr ausführlich. Ihre Wünsche und Erwartungen sind für die Behandlung zentral und werden bei der Planung der Behandlung weitgehend berücksichtigt. 

Wie genau?

Es gibt zwei Ansätze: Bei der Hormontherapie wird häufig das Gelbkörperhormon Gestagen eingesetzt, das in der zweiten Hälfte des weiblichen Zyklus dafür sorgt, dass die Gebärmutterschleimhaut «ausgetrocknet» wird. Wenn das Gestagen etwa wegen Nebenwirkungen nicht eingenommen werden kann, wird eine kombinierte Hormonpille empfohlen. Der zweite Ansatz ist die operative Entfernung der Endometrioseherde – also der Wucherungen, Verdickungen oder Verklebungen zwischen den Organen. Bei den Operationen handelt es sich oft um hochkomplexe Eingriffe, die ein hohes Mass an Expertise verlangen und in einem dafür spezialisierten und zertifizierten Zentrum wie bei uns vorgenommen werden sollten. Besonders wichtig ist es, wenn die Operation mit anderen Fachdisziplinen wie Chirurgie oder Urologie durchgeführt werden soll. 

Endometriose_01

Das heisst, im Endometriose-Zentrum kann die Patientin auf ein interprofessionelles und interdisziplinäres Netzwerk zurückgreifen?

Ja, wir begleiten und unterstützen betroffene Frauen auf ihrem Weg zurück zu einer guten Lebensqualität. Dieses Ziel ist unser Anspruch. Nebst den schulmedizinischen Ansätzen wie Hormontherapie und Operation werden unterstützend komplementärmedizinische Therapien angeboten, zum Beispiel Physiotherapie, Akupunktur oder Kräutertherapien. Diese können in manchen Fällen sogar als alleinige Therapie oder in Kombination mit anderen Methoden zur deutlichen Beschwerdeverbesserung führen. Grundsätzlich kann die erfolgreiche Behandlung häufig nur in Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen und nicht-ärztlichen Diensten erreicht werden. Die komplexen Fälle werden im Endometriose-Board besprochen. Letztlich ist die Zusammenarbeit mit Chirurgie, Urologie, Schmerztherapeuten, Kinderwunschspezialist, Radiologie, Physiotherapie und anderen Fachbereichen elementar wichtig.

Apropos unerfüllter Kinderwunsch: Wie sehr geht das mit einer Endometriose-Erkrankung einher?

Das kommt nicht selten vor. Wenn der Kinderwunsch bei der Patientin im Vordergrund steht, wird mit dem Kinderwunsch-Zentrum die optimale Therapie besprochen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Patientinnen mit Endometriose durchaus unter Partnerschaftsproblemen oder sexuellen Schwierigkeiten leiden. Wir können auch psychologische Unterstützung anbieten, zudem beraten unsere Endometriose-Fachexpertinnen die Patientinnen zu vielen anderen Themen. Hilfsangebote gibt es auch bei finanziellen oder sozialen Schwierigkeiten. Und wenn aufgrund von Absenzen der Verlust der Arbeitsstelle droht, versuchen wir unsere Patientinnen ebenfalls zu unterstützen. Wir verweisen dann auf das Care Management oder verschiedene Selbsthilfegruppen.

Was versprechen Sie sich von der auf künstlicher Intelligenz (KI) basierten Software?

Das KSB unterstützt gemeinsam mit der ETH Zürich und dem Start-up Scanvio Medical die Entwicklung eines Algorithmus, der Ultraschallaufnahmen automatisiert auswertet. Die KI soll Endometriose auf den Ultraschallbildern schneller erkennbar machen. Sie soll uns Ärzten bei der Interpretation der Ultraschalldaten helfen und unterstützen. Gerade denjenigen, die in der Praxis nicht häufig mit Endometriose zu tun haben. Mithilfe der medizinischen Daten wird der Algorithmus nun weiterentwickelt und bei uns auf seine Praxistauglichkeit getestet. Das Ziel ist es, dass Frauen künftig beim ersten gynäkologischen Untersuch eine verlässliche Diagnose erhalten können. Das bedeutet aber nicht, dass die KI auch die Diagnose übernimmt, sondern lediglich ein unterstützendes Instrument sein könnte.

Wann sollte eine Patientin das Endometriose-Zentrum im KSB aufsuchen?

Wenn bei zyklischen Beschwerden regelmässig Schmerzmittel eingenommen werden müssen oder in diesem Zusammenhang Probleme mit der Fruchtbarkeit auftreten, sollte ein Abklärung erfolgen. Aber auch dann, wenn eine Beratung oder eine Zweitmeinung gewünscht wird. 

Haben Sie Fragen?

Zahlen und Fakten

  • 1200

    Konsultationen werden im KSB zum Thema Endometriose

  • 350

    Patientinnen suchen im Jahr das Endometriosezentrum im KSB auf

  • 150

    Endometriose-Operationen werden im KSB vorgenommen


Text: Simon David • Geprüft von: Dr. Mark Ormos, Leiter Endometriosezentrum

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