Zurück zur Startseite
Zurück zur Startseite

Früh geboren, früh geborgen

29. Mai 2024

Frühchen starten zu früh ins Leben. Auf der Neonatologie steht ihre gesunde Entwicklung im Fokus. Pflegefachfrau Stefanie Tüscher gibt einen Einblick in ihre Aufgaben und erzählt, weshalb Tintenfische die Kleinen beruhigen.

Die Fenster sind liebevoll mit buntem Herbstlaub dekoriert. Von der Decke baumeln gebastelte Drachen, an den Wänden hängen Postkarten mit Danke-Aufschrift: Noch ist es still auf der Neonatologie des Kantonsspitals Baden. Viele der kleinen Patienten schlafen. Immer wieder öffnet sich die Tür. Mütter kommen herein – teils in Schlafanzügen, weil sie im Spital auf anderen Stationen übernachten, teils in Strassenkleidung, weil sie von zu Hause kommen. Sie bringen beschriftete Flaschen mit Muttermilch mit, die sie in den dafür vorgesehenen Kühlschrank stellen. Und eine Zärtlichkeit, die in jeder Bewegung, jedem Wort und jeder Berührung ihres Kindes steckt. An ihrer Seite: die Pflegefachfrauen. Sie versorgen Frühgeborene ab der 32. Schwangerschaftswoche und Neugeborene mit medizinischen Problemen wie Infektionen oder Atemproblemen.

ksb-blog_repo_neonatologie_content6.jpg
Die Pflegekräfte begleiten den ersten Lebensabschnitt der Kinder – und bieten den Eltern emotionale Unterstützung.
Risiko mindern auch bei «pünktlich» Geborenen

Mit Schläuchen und Sonden verbunden, liegen die Babys unter bunten Decken. Zum Trinken und Wickeln müssen die Pflegefachfrauen und Mütter sie wecken. «Du machst das sehr gut», sagt Stefanie Tüscher zum kleinen Leon, der langsam wach wird, und streichelt ihm übers Köpfchen. Überhaupt lobt die Pflegefachfrau sehr viel – auch Leons Mutter, die sich grosse Sorgen um das Trinkverhalten ihres drei Tage alten Buben macht. Weil Leon nicht ausreichend trinkt, pflegt man ihn – obwohl termingerecht geboren – auf der Neonatologie. Hier ist Leon mit seinen 47 Zentimetern und 2440 Gramm auf den ersten Blick eher ein grosses Baby.

Wann ist ein Baby ein Frühchen?

Wenn ein Baby vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche (SSW) lebend zur Welt kommt, spricht man von einer Frühgeburt. Findet die Geburt vor der 28. SSW statt, sprechen Mediziner von einer extrem frühen Frühgeburt. Von der 28. bis zur 32. SSW ist es eine frühe Frühgeburt und ab der 32. bis zur 37. SSW eine späte Frühgeburt. Auch das Gewicht bei der Geburt ist ein wichtiges Kriterium, um die Entwicklung einzuschätzen. Bei Frühchen sind häufig die Organe noch nicht vollständig entwickelt. So kann es beispielsweise sein, dass die Lunge noch nicht ausgereift ist und das Baby nicht genug Sauerstoff aufnehmen kann. Deshalb benötigen sie eine umfassende Betreuung.

Rundum überwacht für eine gesunde Entwicklung

Die kleine Marla kam bereits im August auf die Welt. Sie ist mittlerweile 61 Tage alt und konnte ihr Geburtsgewicht von 660 Gramm verdoppeln. Weil Marla in der 27. Schwangerschaftswoche zur Welt kam, gehört sie zu den Babys, die vollständiges Monitoring brauchen: Atmung, Puls – alles wird überwacht. «Bis vor zwei Wochen waren wir noch im Zürcher Unispital, nun konnten wir nach Baden. Für mich sind es jetzt nur noch zehn Minuten Weg zur Kleinen. Viel weniger Stress», erklärt Marlas Mutter. «Marla geht es hier sehr gut, und dann geht es mir auch sehr gut», sagt ihre Mutter, während sie mit Marla auf der Brust im grossen Stillsessel neben dem Babybett sitzt.

ksb-blog_repo_neonatologie_content7.jpg
Vollständiges Monitoring in der Neonatologie: Atmung, Puls – alles wird überwacht.

Die Neonatologie im KSB versorgt Frühgeborene ab der 32. Schwangerschaftswoche – Umverlegungen aus Zürich sind keine Seltenheit. Die Lage und die Ausstattung der Abteilung im KSB ermöglichen eine optimale medizinische Versorgung der Babys, beispielsweise mit Fototherapie und nichtinvasiver Atemunterstützung in unmittelbarer Nähe zur Mutter. Zudem arbeitet die Neonatologie mit Spezialisten wie Kinderkardiologen, Kinderradiologen, dem Psychologischen Dienst, der Musiktherapeutin, der Stillberatung oder dem Sozialdienst zusammen.

Die Aufgaben der Neonatologie

«Jede Geburt ist individuell und muss auch so angesehen werden – darauf sind wir spezialisiert», sagt Stefanie Tüscher. Es ist ein Zusammenspiel mit dem Kinderarzt, der unmittelbar nach der Geburt sekundenschnell entscheiden muss. «Wir achten darauf, ob die Frühchen warm genug haben – sie kühlen leicht aus. Eine Infusion regelt den Zuckerhaushalt bei Kindern unter zwei Kilogramm direkt nach der Geburt. Frühgeborene bekommen zudem eine Magensonde, damit sie ausreichend Nahrung aufnehmen.

ksb-blog_repo_neonatologie_content4.jpg
Alle Hände voll zu tun: Stefanie Tüscher kümmert sich liebevoll um die Frühgeborenen.
Tintenfische für die Neugeborenen

Stefanie Tüscher hat alle Hände voll zu tun. Der Monitor an der Wand blinkt und gibt plötzlich ein Piepen von sich – ein Alarm. Das ist hier keine Seltenheit. In diesem Fall löst ihn ein zu hoher Puls einer kleinen Patientin aus. «Na, sind wir etwas temperamentvoll unterwegs?», fragt Stefanie Tüscher die Kleine im Flüsterton. Umgehend wird der Puls niedriger, die Kleine beruhigt sich. Tüscher legt ihr zudem einen violetten, gehäkelten Tintenfisch in die Hand.

Entwicklung von Frühchen: Für immer im Rückstand?

Kinder, die zu früh zur Welt kommen, hinken in der Entwicklung nicht für immer hinterher. 

Die winzigen Fingerchen greifen reflexartig nach den Tentakeln des Spielzeugs. «Die Tintenfische helfen uns, die Kleinen von den Schläuchen und Sonden abzulenken», erklärt Tüscher. Das Tintenfisch-Spielzeug wurde extra für Frühgeborene konzipiert, damit sie mit ihrem natürlichen Greifreflex nicht an den Kabeln ihrer Sonden spielen. Das Greifen am Tintenfisch knüpft an die erste Erfahrung des Greifens der Nabelschnur an.

Wie lange bleiben Frühchen im Krankenhaus?

Wie lange ein Frühchen auf der Station bleiben, ist ganz unterschiedlich. Je nachdem, welche Behandlungen sie benötigen und wie die Entwicklung voranschreitet. Ein möglicher Anhaltspunkt ist der errechnete Geburtstermin. Es ist aber auch möglich, dass die Kleinen schon früher nach Hause können oder aber, dass sie länger bleiben müssen. So oder so werden sie und auch ihre Eltern bestens betreut. Letztere brauchen vor allem emotionale Unterstützung. Die Pflegefachfrauen integrieren sie von Beginn an bestmöglich: Bereits im Gebärsaal kann das Kind je nach Gesundheitszustand noch kurz zur Mutter, bevor es in die Neonatologie verlegt wird.

Stefanie_Tüscher_0815407-050581_1.jpg

«Die Tintenfische helfen uns, die Kleinen von den Schläuchen und Sonden abzulenken»

Stefanie Tüscher

Pflegefachfrau

In einigen Fällen ist diese erste Kontaktaufnahme nur über den Transportinkubator möglich. Zudem erhalten Eltern früh sogenannte Elterntücher, die sie am Körper tragen, damit sich ihr Geruch aufs Nuschi überträgt. Später liegen die Tücher in der Pflegeeinheit ihres Kindes – so bleibt der elterliche Geruch auch in Abwesenheit erhalten.

Frühchen am KSB

Auf der Neonatologie liegen die kleinsten Patienten des KSB. Fachpersonen aus der Pflege, Ärzte und Therapeuten kümmern sich um sie. Haben Sie Fragen zu Frühgeburten oder zur Pflege eines Frühchens? Die Spezialisten des KSB helfen Ihnen gerne weiter.

Zur Neonatologie

Text: Janine Radlingmayr • Geprüft von: Stefanie Tüscher, Pflegefachfrau

War diese Seite hilfreich?

Ja
Nein