Herr Schumann, Sie betreuen den FC Baden als Orthopäde. Was fasziniert Sie am Fussball?
Die Teamdynamik: Viele Einzelne, die gemeinsam ein Ziel verfolgen. Zudem ist Fussball schnell, spannend und für viele leicht zugänglich – man identifiziert sich schnell, weil man oft selbst schon gespielt hat.
Gilt das auch für Sie?
Nicht aktiv im Verein, nur gelegentlich mit Freunden. Dafür war ich viele Jahre begeisterter Basketballer – diesen Sport verfolge ich ebenso intensiv wie Fussball.
Welche Verletzungen sehen Sie im Fussball am häufigsten?
Typisch sind Knöchelverstauchungen und Muskelverletzungen, vor allem an den hinteren Oberschenkeln (Hamstrings). Diese heilen meist konservativ. Komplexer sind Knieverletzungen, etwa an Bändern oder Menisken. Sie entstehen häufig durch Drehbewegungen. Bei diesen Verletzungen wie Kreuzbandrissen sind oft operative Eingriffe nötig, um eine Rückkehr in den Sport zu ermöglichen.

Gibt es typische Unterschiede zwischen Verletzungen bei Profi- und Amateursportlern?
Durchaus. Profis haben höhere Trainings- und Spielbelastungen, was häufiger zu Überlastungsverletzungen führt – besonders gegen Saisonende. Amateure wiederum haben oft eine weniger ausgereifte Technik und spielen auf schlechteren Plätzen. Das erhöht das Risiko für akute Verletzungen. Auch fehlt ihnen häufig die muskuläre Stabilität und Koordination, um Stürze besser abzufangen.
Wie wichtig ist Prävention im Fussball – und was hilft konkret?
Sie spielt eine zentrale Rolle, gerade bei Jugendlichen. Die Spielintensität und -geschwindigkeit steigen bereits in den Juniorenjahren, und wir sehen vermehrt «Erwachsenenverletzungen» wie Kreuzbandrisse. Programme wie FIFA 11+, das Trainerinnen und Trainern einen strukturierten Leitfaden bietet, helfen mit gezielten Übungen, Bewegungsabläufe zu verbessern und die Muskulatur zu stärken – eine einfache und wirkungsvolle Prävention.
Wie profitieren verletzte Sportlerinnen und Sportler von der orthopädischen Versorgung am KSB?
Wir bieten eine vollumfängliche orthopädische Versorgung – konservativ und operativ. Für Akutverletzungen halten wir gezielt Termine frei und organisieren Röntgen oder MRI innerhalb weniger Tage. Ziel ist ein rascher Therapiebeginn, damit die Rückkehr auf den Platz nicht unnötig verzögert wird.

«Sportlerinnen sollten nicht identisch wie Sportler behandelt werden.»
Oberarzt Orthopädie und Traumatologie
Welche Angebote gibt es speziell für Freizeit- und Vereinssportler?
Eine Rundumbetreuung aus einer Hand: von der Erstkonsultation über Diagnostik und Therapie bis hin zur Reha in unserer Physiotherapie. Besonders wichtig ist dabei der enge Austausch mit unseren Physiotherapeutinnen und -therapeuten – so können wir den Reha-Verlauf individuell steuern.
Die Frauen-EM in der Schweiz vom 2. bis 27. Juli 2025 steht bevor. Wird bei Fussballerinnen anders therapiert oder trainiert?
Ja – Frauen unterscheiden sich anatomisch – etwa bei Becken, Knie und Muskelstruktur, aber auch hormonell von Männern. Das wirkt sich auf das Verletzungsrisiko und die Reha aus. Zudem wird aktuell in mehreren Studien untersucht, welchen Einfluss hormonelle Faktoren – wie Menstruation oder Schwangerschaft – auf das Verletzungsrisiko haben. Die sportmedizinische Tendenz geht dahin, dass Sportlerinnen nicht identisch wie Sportler behandelt werden sollten, sondern individuelle, geschlechtsspezifische Therapiekonzepte benötigen.
Denn es gibt Verletzungen, die bei Fussballerinnen häufiger auftreten.
Ja, besonders auffällig ist die Ruptur des vorderen Kreuzbandes: Frauen haben ein zwei- bis achtmal höheres Risiko. Die Ursachen sind unter anderem anatomische Unterschiede im Beckenbereich sowie eine engere Knochenstruktur (Notch) im Knie. Auch hormonelle Einflüsse – wie der schwankende Östrogenspiegel – könnten die Stabilität und Elastizität der Bänder beeinflussen. Bei vielen Spielerinnen besteht ein Ungleichgewicht zwischen Quadrizeps und Hamstrings.
Was wünschen Sie sich für den Frauenfussball in der Schweiz?
Dass der Fokus nicht nur auf der Spielattraktivität und Geschwindigkeit liegt, sondern dass alle Vereine geschlechtsspezifische Präventionsprogramme einführen. Ziel muss sein, den Spielerinnen eine möglichst lange und verletzungsfreie Karriere zu ermöglichen.
Und wie lautet Ihr EM-Tipp?
Ich hoffe, die Schweizer Nationalmannschaft schafft es ins Halbfinale. Meine Titelfavoriten sind aber Frankreich oder Deutschland.
Jakob Schumann
ist seit 2022 Oberarzt am KSB. Zuvor arbeitete er hier bereits als Assistenzarzt, bevor er von 2020 bis 2022 an der renommierten Schulthess Klinik in Zürich tätig war. Sein fachlicher Schwerpunkt liegt auf der Chirurgie der unteren Extremitäten – dabei fasziniert ihn insbesondere die komplexe Sportchirurgie. Apropos Sport: Er spielt gerne Basketball und Volleyball. Am liebsten verbringt Jakob Schumann seine Freizeit jedoch mit seiner Familie und seinen zwei Kindern.
Text: Simon David • Geprüft von: Dr. Jakob Schumann, Oberarzt Orthopädie und Traumatologie