Zurück zur Startseite
Zurück zur Startseite

Wenn Medizin ins Gewicht fällt

29. April 2025

Krankhaftes Übergewicht hat viele Gesichter – und noch mehr Ursachen: genetische Veranlagung, Kindheitstraumata, fehlendes Wissen. Daniel Frey kennt sie alle. Als Leiter des Adipositaszentrums am KSB setzt der Topchirurg auf Aufklärung, Begleitung und Geduld. Erst wenn das alles scheitert, bleibt die OP als letzter, aber erfolgreicher Ausweg.

Daniel Frey bliebt standhaft. Die süssen Versuchungen im Caffè Orizzonte auf dem Gesundheitscampus des KSB schaut er nicht mal an. Stattdessen nippt er an seinem Espresso. Den trinkt er schwarz – wie immer. Seit 20 Jahren meidet der neue Leiter des Adipositaszentrums im KSB Zucker. Für den Chirurgen ist er Gift. «Wir brauchen für eine ausgewogene Ernährung keinen Zucker», sagt er. Was der bewirken kann, sieht der Arzt täglich in seinen Sprechstunden. Patienten, die an krankhaftem Übergewicht leiden und von den Pfunden loskommen wollen. Bei ihm sind sie an der richtigen Stelle. Schweizweit gilt er als einer der renommiertesten Experten in der Behandlung von Adipositas.

Daniel Frey

Das liegt auch daran, dass Daniel Frey ein Mann der klaren Worte ist. «Adipositas ist in der Schweiz ein gesellschaftliches Problem», sagt er und unterlegt die These mit Zahlen: «43 Prozent der Bevölkerung sind mit einem Body-Mass-Index von über 30 zu dick. 13 Prozent sind mit einem BMI von mehr als 35 sogar krankhaft adipös.» Dass der BMI als Richtwert überholt ist, weil er nur Auskunft über das Verhältnis von Körpergrösse zu Gewicht gibt, ist auch Daniel Frey bewusst. Im KSB wird deshalb die Relation von Körperfett und Muskelmasse als Massstab herangezogen. «Wir verfügen über die geeigneten Messgeräte», erklärt Daniel Frey. 

Daniel Frey

«Das Übergewicht wird einem in die Wiege gelegt.»

Daniel Frey

Leiter des KSB-Adipositaszentrums

Zurück zu den Fakten: Allein im Kanton Aargau gibt es bis zu bis zu 50.000 Menschen, die krankhaft adipös sind – dazu noch jedes siebte Kind. Alarmierende Zahlen, die sich in den vergangenen 30 Jahren verdoppelt haben. Der Weg in die Fettleibigkeit, der in Folgeerkrankungen wie Diabetes Typ 2, Krebs, Demenz oder Herz-Kreislauf-Leiden mündet, hat viele Ursachen: Bis zu 50 Prozent sind auf die genetische Veranlagung und das Umfeld, in dem man aufwächst, zurückzuführen. «Das Übergewicht wird einem in die Wiege gelegt», sagt der Leiter des Adipositaszentrums am KSB. Nach wie vor ist auch das Unwissen das grösste Problem. «Übergewichtige Menschen wissen, dass ein Snickers viel Zucker und Fett enthält, aber dass man zweieinhalb Stunden lang joggen muss, um es wieder zu verbrennen, ist den wenigsten bewusst», sagt der ehemalige Eishockey-Verteidiger.

Fettiges Essen

Er prangert auch den Bewegungsmangel an. Insbesondere bei Kindern. Elterntaxis, viel Medienzeit, kaum Anreize für Bewegung. «Ein Teufelskreislauf – kombiniert mit der Unsitte, dass Eltern ihren Kindern sagen, sie sollen ihren Teller aufessen, auf denen womöglich noch energiedichte Fertiggerichte liegen.» Häufig ist Essen auch ein Bewältigungsmechanismus. «Wir sehen das vor allem bei Frauen. 40 Prozent aller übergewichtigen Patientinnen haben verbalen, physischen oder sexuellen Missbrauch in der Kindheit oder Pubertät erlebt. Sie fressen sich aus Angst einen Schutzmantel an», erklärt Frey, der schon unter 18-Jährige erfolgreich operiert hat. 

«Studien zeigen, dass die Magen-Bypass-OP zu einer langfristigen Gewichtsreduktion führt.»

Daniel Frey

Leiter des KSB-Adipositaszentrums

Goldstandard ist. Bei diesem Eingriff wird der Magen verkleinert und der Dünndarm umgeleitet. Ein kleiner, neu geformter Magen so gross wie eine Espresso-Tasse wird gebildet und direkt mit dem Dünndarm verbunden, sodass die Nahrung den Hauptmagen und Teile des Darms umgeht. Studien zeigen, dass diese OP zu einer langfristigen Gewichtsreduktion führt», erklärt Daniel Frey. 

Und was ist mit Medikamenten wie Ozempic und Wegovy, die als Abnehmspritzen einen Hype erleben? Der Chirurg runzelt die Stirn. «Mit ihnen kann man zwar bis zu 17 Kilogramm abnehmen, und sie können eine sinnvolle Ergänzung in der Behandlung sein, wichtig ist aber, dass die Patienten dabei unter medizinischer Aufsicht stehen», betont er. 

Am KSB will Daniel Frey die Therapiemöglichkeiten ausbauen, um mehr Patienten zu behandeln. Derzeit werden im Kanton Aargau im Jahr nur 300 übergewichtige Patienten operiert – 80 Prozent sind Frauen, die den Schritt zur OP eher wagen. Insgesamt entspricht das nur einem Bruchteil der für solche Eingriffe infrage kommenden Betroffenen. Er möchte ihnen im Referenzzentrum in Baden-Dättwil eine Anlaufstelle bieten: «Wir heilen Adipositas nicht. Wir helfen dem Patienten aber über fünf Jahre lang, seinen Lebensstil zu verändern und können mit über 90-prozentiger Sicherheit garantieren, dass er sein Gewicht halten kann.» Dass dieser Wandel oft mehr als nur verlorene Kilos bedeutet, weiss er aus vielen Rückmeldungen seiner Patienten: «Einige bedanken sich für ihr neues Leben.»


Text: Simon David • Geprüft von: Daniel Frey Leiter Adipositaszentrum

War diese Seite hilfreich?

Ja
Nein