Die Diagnose «Arthrose» liegt bei Hüftschmerzen nahe, aber sie ist längst nicht immer die Ursache. Viele Patientinnen und Patienten leiden stattdessen unter einer glutealen Tendinopathie, einer Erkrankung der Sehnenplatte der Gesässmuskulatur. «Betroffen sind vor allem die Sehnen des Gluteus medius und Gluteus minimus. Sie verlaufen über den grossen Rollhügel des Hüftknochens und sind für die Stabilität der Hüfte entscheidend», erklärt Dr. Andreas Kattner, Leiter der Hüftchirurgie am KSB.
Diese Sehnen können sich mit der Zeit durch Überlastung, wiederholte Mikroverletzungen oder Durchblutungsstörungen entzünden oder degenerieren. Typisch sind stechende Schmerzen an der Aussenseite der Hüfte, vor allem beim Gehen, Treppensteigen oder Liegen auf der betroffenen Seite. «Viele Betroffene berichten, dass sie nachts kaum eine Position finden, in der die Schmerzen nachlassen», sagt Hüftspezialist Andreas Kattner.
Hüftschmerzen: Kleine Verletzung, grosse Wirkung
Manchmal liegen sogar eine Teilruptur oder ein kompletter Sehnenriss vor. Während bei einer Partialruptur nur ein Teil der Sehne betroffen ist, kann bei einer Ruptur die gesamte Sehne vom Knochen reissen – was zu massiven Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führt.
«Eine Sehnenruptur an der Hüfte ist zwar selten, aber sie kann funktionell sehr einschränkend sein», sagt der Leiter der Hüftchirurgie am KSB, «die Betroffenen merken, dass die Hüfte instabil wirkt oder sie beim Gehen zur Seite kippen.»
Wie gelingt die richtige Diagnose?
Um die Ursache der Hüftschmerzen sicher zu erkennen, sind Anamnese, eine klinische Untersuchung und die Bildgebung entscheidend. So kann Ultraschall die entzündeten Sehnenanteile oder Flüssigkeitsansammlungen sichtbar machen. MRI-Untersuchungen liefern ein genaues Bild über den Zustand der Sehnenfasern, mögliche Risse oder degenerative Veränderungen. «Gerade das MRI zeigt uns, ob wir es mit einer akuten Reizung, einer chronischen Veränderung oder gar einem Teilriss zu tun haben», erläutert Dr. Andreas Kattner. «Nur so können wir die Therapie gezielt planen.»
Sanfte Wege zurück in die Bewegung
Die gute Nachricht: In den meisten Fällen braucht es keinen chirurgischen Eingriff. «Die konservative Behandlung ist der Goldstandard und erzielt hervorragende Resultate», betont der Hüftspezialist.
Das Therapiekonzept setzt sich aus mehreren Bausteinen zusammen:
- Belastungssteuerung: Vermeidung schmerzauslösender Bewegungen und ein schrittweiser, individuell angepasster Trainingsaufbau.
- Physiotherapie: Gezielte Kräftigung der Gesässmuskulatur, Dehnung, Koordination und Stabilisierung der Hüfte.
- Schmerztherapie: Entzündungshemmende Medikamente oder lokale Infiltrationen mit Cortison helfen, die akuten Beschwerden zu lindern.
- Biologische Ansätze: In ausgewählten Fällen können Eigenbluttherapien (PRP) oder andere regenerative Methoden zur Anwendung kommen.
«Das Ziel ist klar: Wir wollen Schmerzen reduzieren, die Funktion verbessern und Folgeschäden vermeiden», fasst Dr. Andreas Kattner zusammen.

«Die Resultate der konservativen Therapie sind so gut, dass wir Operationen nur sehr gezielt einsetzen.»
Leiter Hüft-Team
Wann eine Hüft-OP sinnvoll ist
Nur wenn die konservative Therapie über mehrere Monate keine Besserung bringt oder eine ausgeprägte Ruptur vorliegt, kommt ein Eingriff infrage. Doch selbst dann gilt: Operative Massnahmen sind die Ausnahme.
«Die Resultate der konservativen Therapie sind so gut, dass wir Operationen nur sehr gezielt einsetzen», erklärt Dr. Andreas Kattner. «Wenn wir operieren, dann bei Patientinnen und Patienten, die trotz intensiver Physiotherapie und Schonung weiterhin erhebliche Schmerzen oder Funktionsverluste haben.»
Mit Geduld zurück ins Leben ohne Schmerzen
Deshalb: Wer konsequent mitarbeitet, kann mit der richtigen Therapie meist innerhalb weniger Monate deutliche Verbesserungen spüren. «Auch hartnäckige Fälle sprechen gut auf eine Kombination aus gezieltem Muskelaufbau und Schonung an», sagt der Experte für offene und arthroskopische Hüft- und Beckenchirurgie, der schon über 1000 Operationen durchgeführt hat. «Viele meiner Patientinnen und Patienten können nach erfolgreicher Behandlung wieder schmerzfrei gehen, schlafen und sich uneingeschränkt bewegen.»
Die gluteale Tendinopathie ist demnach ein häufiger, aber oft übersehener Grund für Hüftschmerzen. Doch letztlich ist sie gut behandelbar. Mit gezielter Diagnostik, einer durchdachten konservativen Therapie und Geduld lässt sich die Lebensqualität deutlich verbessern. Oder, wie Dr. Andreas Kattner es formuliert: «Manchmal braucht es keine neue Hüfte, sondern nur das richtige Verständnis für die Muskeln und Sehnen, die sie bewegen.»
Text: Simon David • Geprüft von: Dr. Andreas Kattner, Leitender Arzt Hüft-Team


