Schmerzen in unseren Organen oder Muskeln signalisieren uns, dass unser Körper aus dem Gleichgewicht geraten oder gar krank ist. Anders ist dies bei der Leber. «Lebererkrankungen verursachen häufig keine Symptome», sagt Claudia Keerl. Sie ist Gastroenterologin mit dem Schwerpunkttitel Hepatologie – eine Spezialistin für die kranke Leber.
Jeder vierte Schweizer hat eine kranke Leber
Obwohl Leberprobleme oft unbemerkt bleiben, sind sie sehr verbreitet – insbesondere die Fettleber. Ärzte sprechen bereits von einer stillen Epidemie: Ein Viertel der Schweizer Bevölkerung ist davon betroffen. Dabei lagert die Leber zu viel Fett in den Zellen ein. Dies kann auch bei schlanken Menschen der Fall sein. Das Tückische: Manchmal zeigen sich die Leberwerte im Blutbild nur gering erhöht oder sogar im Normbereich. So ist es wenig überraschend, dass die Diagnose Fettleber häufig ein Zufallsbefund ist. Zum Beispiel stösst die Gastroenterologin während einer Ultraschalluntersuchung des Bauchraums darauf.
Fett und Zucker sind schlecht für die Leber
Eine Fettleber resultiere nicht in erster Linie aus übermässigem Alkoholkonsum, sagt die Ärztin. Sie sei auch Folge einer Ernährung mit einem zu hohen Anteil an Zucker und ungesunden, gesättigten Fetten. Eine etablierte medikamentöse Therapie der Fettleber steht aktuell noch nicht zur Verfügung. Die bisher erfolgreichste Therapie ist die Umstellung des Lebensstils. Daher empfiehlt Claudia Keerl: «Bewegen Sie sich genügend, trinken Sie wenig Alkohol (16g/Tag für Frauen bzw. 24g/Tag Alkohol für Männer als Maximalkonsum) und ernähren Sie sich ausgewogen. Das ist das Beste für Ihre Leber.» Sollten Änderungen des Lebensstils nicht ausreichen, besteht bei ausgewählten Patienten die Möglichkeit, die Gewichtsabnahme medikamentös zu unterstützen.
Die kranke Leber kann sich ein Stück weit selbst heilen
Die gute Nachricht: Insbesondere im frühen Stadium ist eine vollständige Heilung des Organs möglich. «Die Leber besitzt ein grosses Potenzial, sich selbst zu regenerieren und zu erneuern. Bei halbherzigen Massnahmen besteht jedoch die Gefahr, dass die Lebererkrankung fortschreitet. Das geht von einer Leberzirrhose bis zu Leberkrebs». Die Fettleber ist als zentraler Bestandteil des metabolischen Syndroms als Systemerkrankung zu verstehen. Sie ist ein unabhängiger Faktor zur Entwicklung von Diabetes mellitus (Typ 2), Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Nierenerkrankungen und Krebserkrankungen ausserhalb der Leber. Sie sollte daher nicht als triviale Begleiterscheinung verkannt werden.
Text: Vivien Wassermann • Geprüft von: Dr. med. Claudia Keerl, Stv. Leitende Ärztin Hepatologie