Auch bei der Anästhesie hat Patientensicherheit höchste Priorität. In der Anästhesiesprechstunde können Sie direkt nach dem Gespräch bei Ihrem Operateur mit dem Anästhesisten die für Sie beste Anästhesie besprechen.
Zur AnästhesiesprechstundeHerr Heesen, sind Sie selber auch schon narkotisiert worden?
Ja, als Kind hat man mir die Mandeln entfernt. Das muss Anfang 1970er-Jahre gewesen sein. Rückblickend war das kein schönes Erlebnis. Das hatte wohl auch damit zu tun, dass Übelkeit und Erbrechen damals noch nicht so gut behandelt werden konnten.
Was fasziniert Sie heute an der Anästhesie?
Es gibt inzwischen eine grosse Anzahl verschiedener Medikamente, die alle dazu führen, dass eine Patientin tief schläft und überhaupt nichts mitkriegt. Es fasziniert mich immer wieder von Neuem, wie gut das funktioniert. Man knipst einen Menschen vorübergehend aus wie eine Lampe. Die Medizin weiss im Grunde nicht ganz genau, wie diese Medikamente wirken und was genau dabei im Körper passiert. Die Erfahrung aber zeigt, dass es funktioniert. Zudem sind allfällige Nebenwirkungen überschaubar und kontrollierbar geworden.
Welche Ängste beschäftigen die Patienten vor einer Vollnarkose?
Es gibt beispielsweise solche, die Angst haben, nach einer Vollnarkose nicht mehr aufzuwachen. Andere haben Angst, während der Operation zu erwachen oder Schmerzen zu haben und sich nicht mitteilen zu können. Wieder andere fürchten sich vor einem Delir, dass sie nach dem Aufwachen – etwas salopp gesagt – eine Schraube locker haben könnten. Generell haben viele Patienten Angst vor Schmerzen, vor Übelkeit und Erbrechen nach dem Aufwachen. Aber auch dafür gibt es inzwischen vorbeugende Mittel.
Wie kann man solchen Patienten die Angst nehmen?
Das Ungewohnte, das ein Eingriff mit Narkose mit sich bringt, verunsichert viele Patienten. Am KSB ist uns wichtig, diese Ängste ernst zu nehmen. Meistens reicht es schon, wenn man mit Prozentzahlen argumentiert und beispielsweise erklärt, dass es theoretisch viel gefährlicher ist, eine Strasse zu überqueren, als sich einer Narkose zu unterziehen. Aber die Angst ist ein emotionaler Zustand. Da genügen sachliche Argumente allein manchmal nicht. In solchen Fällen und auf Wunsch kommen zusätzliche Beruhigungsmittel zum Zug.
Kommt es denn tatsächlich vor, dass jemand trotz Narkose auf dem OP-Tisch erwacht?
Ja, allerdings ist das sehr selten. Man spricht von einem Fall auf 20 000 Vollnarkosen. Die Risikofaktoren sind bekannt; es handelt sich dabei um Patienten, die gewisse Medikamente zu sich nehmen oder die an der Herz-Lungen-Maschine angeschlossen sind. Ich selber habe einen solchen Fall aber noch nie erlebt.
Es soll aber Patienten geben, die nach einem Eingriff unter Vollnarkose wissen, was im OP geredet wurde.
Es gibt solche, die das behaupten, ja. Aber ein Narkosemittel führt dazu, dass ein Patient in tiefen Schlaf verfällt. Mittels Messung der Hirnströme wissen wir jederzeit, wie tief die Narkose ist. Die technischen Mittel sind also sehr gut, um den Zustand eines Patienten immer im Blick zu haben und wenn nötig zu reagieren. Patienten erinnern sich höchstens an Eindrücke vor dem Eingriff. Oftmals verwechseln sie das dann aber fälschlicherweise mit Situationen während der OP.
Wie erleben Patienten eine Vollnarkose, was sind die Rückmeldungen nach einem Eingriff?
Die meisten empfinden sie im Nachhinein als schön und angenehm. In der Regel wachen sie auch angenehm auf und können sich relativ schnell wieder orientieren. Viele Patienten sind erstaunt, wie rasch sie sich von einer Narkose erholen.
Gibt es auch spezielle oder kuriose Rückmeldungen zu einer Nebenwirkung?
Da war mal ein Patient, der ein halbes Jahr nach einem Eingriff behauptete, ihm seien aufgrund der Narkose ein paar Haare ausgefallen. Nun, ich sehe da keinen Zusammenhang.
Die meisten Patienten haben also angenehme Träume. Können Narkosemittel auch Horrortrips auslösen?
Es gibt ein Schmerzmittel, das, sofern es isoliert verabreicht wird, Horrortrips auslösen kann. Es handelt sich dabei um ein Rauschmittel, ein Analgetikum mit halluzinogener Wirkung, ähnlich wie bei der Droge LSD. In Kombination mit anderen Medikamenten ist es aber harmlos.
Inwiefern kann sich die Anästhesie noch verbessern und entwickeln?
Die Anästhesie entwickelt sich seit Jahrzehnten laufend weiter: Es gibt immer bessere Medikamente, weniger Nebenwirkungen, und auch die Gerätetechnik verbessert sich stetig. Inzwischen wird jeder Schritt digital überwacht. Unser Personal weiss jederzeit ganz genau, in welchem Zustand sich ein narkotisierter Patient befindet. Zudem haben wir am KSB regelmässig Schulungen und führen Simulationen durch, bei denen das Personal für mögliche Komplikationen sensibilisiert wird.
Was halten Sie von Hypnose statt Narkose – käme das am KSB auch in Frage?
Die Hypnose ist ein Entspannungsverfahren mit langer Tradition. Sie wird auch in der Schmerztherapie angewandt, bei starken chronischen Schmerzen, die man mit Medikamenten nicht in den Griff kriegt oder wenn diese heftige Nebenwirkungen verursachen. Man muss aber wissen, dass jede Hypnose eine lange Vorbereitung erfordert. Zudem sind nicht alle Menschen hypnosefähig. Nicht alle Menschen schaffen es, in einen tranceartigen Zustand zu kommen.
Welche Tipps geben Sie einem Patienten, der sich bald einem Eingriff unterziehen muss?
Der Patient soll dem Eingriff mit Gelassenheit entgegenblicken. Narkosen sind heute sehr sicher. Die Medikamente sind gut erforscht, das Personal ist bestens geschult. Ein Vergleich: Wenn Sie ein Flugzeug betreten, dann legen Sie Ihr Wohl in die Hände der Piloten und der Technik. Bei der Anästhesie ist das ähnlich, mit dem Unterschied, dass Sie den Anästhesisten in der Regel vorher kennenlernen. Das trägt zur Vertrauensbildung bei.
Anästhesie am KSB
Text: Luk von Bergen • Geprüft von: Michael Heesen, Chefarzt & Direktor Departement Anästhesie