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Rauch­stopp: Endlich geschafft

25. Juni 2024

Nikotin und Heroin wirken ähnlich suchtbildend aufs Gehirn. Kein Wunder, fällt vielen Abhängigen der Nikotinentzug so schwer. Ich habe es nach 40 Jahren und ungezählten Versuchen – hoffentlich endgültig! – geschafft. Ein Erfahrungsbericht.

Vor 40 Jahren rauchte ich meine erste Zigarette. Ich erinnere mich gut daran: Es war der Beginn einer langen, letztlich aber unglücklichen Liebesgeschichte.

Am 12. Mai 2017 rauchte ich meine letzte Zigarette. Ich erinnere mich gut daran: Es war das Ende einer schwierigen Beziehung.

Dazwischen liegen geschätzte 300 000 Zigaretten. Ein Wahnsinn für die Gesundheit, eine Last fürs Portemonnaie und eine Zumutung für meine nähere Umgebung. In den letzten fünf, sechs Jahren hatte ich mehrere ernste Anläufe unternommen, um mit dem Tabak Schluss zu machen. Der Rückfall kam mal nach drei Tagen, mal nach fünf Monaten, mal nach einem ganzen Jahr. Hier berichte ich, wie ich mich endgültig von meiner «treusten Gefährtin», der Zigarette, getrennt habe.

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«Ich beobachte die rauchenden Passanten und weiss: Jetzt ist Schluss!»
Es trifft mich wie ein Blitz

11. Mai 2017: Die paar Treppen hoch zur Wohnung bringen mich vollkommen ausser Atem. Angst kriecht hoch, wie so oft in den vergangenen Monaten. Im Bekanntenkreis sind die Ersten an Lungenkrebs gestorben. Meine Lunge rasselt, das Husten am Morgen ist mühsam, ich bin energielos, meine Kleider stinken.

12. Mai: Frühmorgens warte ich auf den Zug und zünde mir die erste Zigi an, obwohl ich längst aufhören will. Trotzdem ist es unvorstellbar, künftig rauchfrei am Perron zu stehen. Am Abend gehe ich wie immer zu Fuss zum Bahnhof. Draussen stehen all die Süchtigen bei den Aschenbechern und saugen hektisch, vergiften sich mit jedem Zug ein klein wenig mehr. Ich beobachte sie, beobachte mich, und in diesem Augenblick trifft es mich wie ein Blitz: Das war’s. Schluss, aus, fertig. Ich will nicht mehr! Ich lege das Päckli mit den letzten paar Zigis auf die Ablage beim SBB-Aschenbecher und fahre nach Hause.

«Die letzten Tage bin ich in der Stadt immer wieder hinter Rauchern hergegangen und habe den Rauch eingeatmet.»

Gaston Haas
«Tammisiech, ich will e Zigi, jetzt, sofort!»

13. Mai: Wir besuchen Freunde im Tessin. Ein herrlicher Samstag. Wir sitzen draussen an einem langen Tisch. Alle rauchen wie blöd. Ich hatte mir die Reise als Horrortrip ausgemalt. Aber die Lust, eine Zigarette anzuzünden, hält sich in Grenzen. Okay, die Nikotinkaugummis helfen. Trotzdem: Als wir durch den Gotthard zurückfahren, habe ich fast 24 Stunden ohne Tabak überlebt. Andere gewinnen einen Wettkampf, weil sie etwas dafür tun – ich tue etwas NICHT und bin stolz. Verkehrte Welt eines Nikotinsüchtigen!

27. Mai: Die erste Woche habe ich überraschend gut «überlebt». Ein paar leichte Anflüge von Panik, die innere Unruhe, der automatische Griff in die Jackentasche, obwohl da weder Feuer noch Tabak zu finden sind. Aber jetzt ist die erste Euphorie verflogen. Tammisiech, ich will eine Zigi, jetzt, sofort – dieses Gefühl poppt immer wieder auf. Die letzten Tage bin ich in der Stadt immer wieder hinter Rauchern hergegangen und habe den Rauch eingeatmet. Es ist mir peinlich – ich will nicht mehr, genug ist genug. 2013 besuchte ich einen Nichtraucherkurs der Lungenliga. Nach fast einem Jahr wurde ich schwach, aber die Tipps von damals helfen mir jetzt.

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«Die Tipps aus dem Nichtraucherkurs der Lungenliga helfen mir.»
Rauchen im Kopf

14. Juni: Ein Monat ist geschafft. Ich habe mir eine Liste gemacht mit den Vor- und Nachteilen des Rauchens. Das Resultat ist eindeutig. Trotzdem habe ich immer wieder Flashes: Ich sehe vor meinem geistigen Auge, wie ich mir eine Zigarette anzünde, höre sogar das vertraute Klicken des Feuerzeugs und «rieche» den brennenden Tabak. Rauchen im Kopf.

15. Juni: Heute Morgen ist mir aufgefallen, dass der Husten und das Spucken merklich nachgelassen haben. Ich beobachte einen Raucher, der einen tiefen Zug nimmt, den Stummel wegschnippt und im letzten Moment in den Zug springt. Etwas Wehmut durchzuckt mich, ich hab’s ja jahrelang auch so gemacht: Als der Mann sich im Abteil neben mich setzt, haut es mich fast um – der Geruch ist übel.

«Auf Youtube wühle ich mich zwei Stunden lang durch eine Flut von Videos, die zeigen, was der Tabak mit dem Körper anrichtet.»

Gaston Haas

19. Juni: Etwas vom Schwierigsten beim Entzug sind die eingeschliffenen Gewohnheiten. Die muss man ändern. Draussen auf dem Balkon paffen ein paar Arbeitskollegen. Ich komme mir richtig unsozial vor, weil ich mich nicht dazustelle.

14. Juli: Morgen fahren wir in die Ferien. Zwei Wochen Frankreich in einem Haus mit Freunden. Feines Essen, Rosé, lange Abende unter Freunden. Das wird hart. Auf Youtube wühle ich mich zwei Stunden lang durch eine Flut von Videos, die zeigen, was der Tabak mit dem Körper anrichtet. Ich versuche mich zu «imprägnieren». Als ich das Handy weglege, habe ich Lust auf eine Zigarette. Mein Selbstvertrauen wackelt.

Freitag, der 13. – mein Glückstag

29. Juli: Die Ferien habe ich recht gut überstanden. Ein paar Mal war ich auf der Kippe – nach dem Essen, als rauchende Bekannte zu Besuch waren –, aber ich habe nicht nachgegeben. Allen Carrs Bestseller «Endlich Nichtraucher» habe ich zum gefühlt hundertsten Mal durchgelesen. Ich trage das Taschenbuch wie einen Talisman mit mir herum.

13. Oktober: Freitag, der 13., na bravo! Ich habe eine richtige fiese Woche hinter mir. Jetzt lasse ich bereits seit fünf Monaten die Finger vom Tabak, aber heute Abend habe ich Mühe, suche Trost bei meiner «Freundin». Ich kaufe ein Päckchen meiner alten Lieblingsmarke, streife das Zellophan von der Verpackung und klappe den Deckel hoch: Das Geräusch beim Öffnen, der Geruch des Tabaks, die Farbe des Päckchens, das Gefühl in den Händen, alles wirkt ungemein vertraut; meine Freundin, die Zigarette, sie will mich zurück – und ich will sie zurück. Rechtzeitig besinne ich mich, es ist wie ein Aufwachen nach einem Albtraum. Ich lege das volle Päckchen auf eine der roten «via»-Boxen am Bahnhof, ohne eine Zigarette angefasst zu haben, und fahre nach Hause. Freitag, der 13. – mein Glückstag!

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«Früher hätte ich bei einer Schreibblockade eine Zigarette geraucht. Heute hilft ein Spaziergang.»

31. Dezember: Die Festtage habe ich überraschend gut überstanden. Morgen beginnt mein erstes vollkommen rauchfreies Jahr seit Jahrzehnten. Yes! Meine Stopp-Tabak-App sagt mir, dass ich in dem halben Jahr fast 1600 Franken gespart habe.

17. März 2018: Ich sitze an meinem Laptop und sollte einen Artikel schreiben. Aber die Buchstaben wollen heute nicht. Stattdessen flüstert es in meinem Kopf. Jetzt würde eine Zigarette helfen. So wie früher, als ich kaum je ohne Aschenbecher gearbeitet habe. Ich klappe den Laptop zu und gehe eine halbe Stunde nach draussen. Das hilft.

«Das war’s, es reicht. Die Trennung ist endgültig.»

Gaston Haas
Tschüss, ich geh’ dann mal joggen!

14. April: Geburtstag. Freunde, Musik, Alkohol – und Zigaretten. Ich widerstehe nicht, bettle um eine Zigi, drehe sie liebevoll zwischen Daumen und Zeigefinger, schnuppere am weissen Stängel. Dann stecke ich sie zwischen die Lippen, lasse das Streichholz aufflammen und zünde sie an. Der Akt hat etwas Erotisches und lässt alle Synapsen in meinem Gehirn feuern. Doch der Geschmack ist bitter, bösartig. Meine allererste Zigarette, die ich mir mit 18 als Gymnasiast angetan habe, steigt vor meinem inneren Auge hoch. Und mit ihr die Tausende und Abertausende Nachfolgerinnen. Ich erinnere mich an meine gelben Finger, die stinkenden Kleider und den rasselnden Atem, an die Stummelberge im Aschenbecher und die Brandlöcher in meinem Lieblingspulli. Ich schäme mich, drücke die eben erst angezündete Zigi aus und gehe mir die Hände waschen. Das war’s, es reicht. Die Trennung ist endgültig.

13. Mai: Vor genau einem Jahr habe ich meine letzte ganze Zigarette geraucht. Das Datum habe ich voll verpasst. Ich nehme es als gutes Zeichen.

24. September: Vorgestern habe ich den Greifenseelauf absolviert. Als 1167. bin ich ins Ziel gekommen. Keine sportliche Glanzleistung. Aber noch vor anderthalb Jahren wäre ich nicht auf die Idee gekommen, mitzulaufen. 10 Kilometer am Stück hätte ich eh nie geschafft. Jetzt bin ich sicher: Es ist vollbracht. Tschüss, ich geh’ dann mal joggen!

Lungenliga im KSB-Partnerhaus

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Text: Gaston Haas

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