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Silvester, Sekt und die Spätfolgen: Die Leber leidet an Neujahr

29. Dezember 2025

Zum Jahreswechsel fliesst der Alkohol oft sorgloser als sonst. Doch aktuelle Forschungsergebnisse zeigen: Schon kleine Mengen können der Gesundheit stärker zusetzen, als viele glauben. Warum die Leber gerade an Silvester besonders leidet – und was das für Ihren Körper bedeutet, verrät Gastroenterologin Claudia Keerl.

Mythos «Einmal im Jahr darf’s krachen»

Silvester gilt als Ausnahmezustand. Viele gönnen sich zwischen Raclette und Böllern meist zu viel Alkohol. Frei nach dem Motto: «Einmal im Jahr können wir es doch krachen lassen.» Doch medizinisch bleibt Alkohol toxisch – egal, welcher Tag im Kalender steht. 

«Gerade an Silvester sehen wir im Notfall die ganze Bandbreite der Alkoholfolgen. Die reichen von Stürzen über Herzrhythmusstörungen bis hin zu Vergiftungen», sagt Claudia Keerl, Hepatologin und Gastroenterologin am KSB. Damit listet die leitende Ärztin am KSB vor allem die kurzfristigen Folgen einer durchzechten Neujahrsnacht auf. Langfristig steigt das Risiko für Leberzirrhose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und mehrere Krebsarten. Studien zeigen: Die Menge Alkohol, bei der das Gesundheitsrisiko am geringsten ist, liegt bei null.

Was die Forschung heute weiss

Grosse internationale Studien – unter anderem im medizinischen Fachjournal «The Lancet» – zeigen: Schon geringe Mengen erhöhen das Risiko für Herz-, Leber- und Krebserkrankungen. Auch der lange propagierte «Schutzeffekt» moderaten Trinkens hält wissenschaftlich nicht stand. «Aus hepatologischer Sicht ist die Rechnung einfach: Jede Dosis Alkohol bedeutet Stress für die Leber», erklärt Claudia Keerl. Besonders problematisch ist dabei das «Binge Drinking» (Rauschtrinken oder Komasaufen) – also genau das Muster, das an Silvester häufig vorkommt.

Das richtet Alkohol im Körper an

Die Leber hat jedenfalls wenig Freude an Bier, Wein, Sekt oder Schnaps. Denn sie baut den Alkohol ab und erzeugt dabei Stoffe wie Acetaldehyd, die Zellen schädigen. Auf Dauer drohen Fettleber, alkoholische Hepatitis, Zirrhose und Leberkrebs. «Viele unterschätzen, dass Alkohol das Risiko für verschiedene Tumoren erhöht. Das gilt auch für Brustkrebs», sagt Claudia Keerl. Und es entstehen meist noch weitere Folgeerkrankungen. Dazu gehören: Bluthochdruck, geschwächtes Immunsystem, Schlafstörungen, depressive Symptome und ein erhöhtes Unfallrisiko.

Gesund feiern – gewusst wie!

Dennoch: In die Silvesternacht kann man durchaus auch gut feiern ohne Alkohol. Und wer gar nicht auf das Glas Schampus oder Sekt verzichten kann, sollte sich an folgende Grundsätze halten:

  • Realistische Obergrenze setzen – und einhalten.
  • Langsam trinken, Wasser dazwischen.
  • Nicht auf leeren Magen trinken.
  • Cocktails und Shots im Blick behalten.
  • Dry January nutzen, um Leber und Kreislauf zu entlasten.

«Der Körper reagiert in der Regel schnell positiv, wenn man Alkohol reduziert», betont Claudia Keerl. «Schon nach einigen Wochen verbessern sich Leberwerte, Schlaf und Energie spürbar.» Die Vorsätze fürs neue Jahr können stehen dann also schon fest.

Zahlen zum Alkoholkonsum

  • 83 % der Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren trinkt Alkohol
  • 9 % der Schweizer trinken täglich Alkohol (vor 30 Jahren noch 20 %)
  • 8,4 Liter beträgt der Pro-Kopf-Alkoholkonsum im Jahr
  • 250.000 Menschen in der Schweiz gelten als alkoholabhängig.

Wie viel Alkohol verträgt es?

Viel weniger, als man denkt! Das allseits bekannte Gläschen Rotwein am Tag ist schon zu viel. Frauen sollten höchstens 10 bis 12 Gramm reinen Alkohol am Tag trinken. Das sind zwei bis drei Deziliter Bier oder ein bis anderthalb Deziliter Wein. Für Männer liegen die Werte etwas höher: 20 bis 24 Gramm maximal (entspricht etwa einem halben Liter Bier oder drei Deziliter Wein). Bei einer Fettleber sollte ganz auf Alkohol verzichtet werden.

Etappen der alkoholbedingten Leberschädigung

 1. Fettleber (Steatose)

  • Bereits nach wenigen Wochen erhöhten Alkoholkonsums möglich
  • Reversibel nach 2 bis 6 Wochen Abstinenz
  • Symptome oft unspezifisch oder fehlend

2. Alkoholische Hepatitis

  • Entzündung der Leber
  • Kann akut lebensbedrohlich sein
  • Typische Anzeichen: Gelbfärbung (Ikterus), Schmerzen im rechten Oberbauch, Fieber, Müdigkeit

3. Leberzirrhose

  • Irreversible Vernarbung der Leber
  • Entwickelt sich über Jahre
  • Erhöht das Risiko für hepatozelluläres Karzinom (HCC) deutlich
  • Oft erst spät symptomatisch (Portalhochdruck, Wasserbauch, Blutungsneigung)


Das Problem: Rund 50 % der alkoholinduzierten Zirrhosen bleiben lange unentdeckt. Nur die ersten beiden Etappen sind mit Abstinenz zu gewissen Teilen noch reversibel.


Text: Simon David • Geprüft von: Dr. Claudia Keerl, Leitende Ärztin Gastroenterologie