Ob Mann oder Frau mit Inkontinenz – am KSB kümmern sich Experten um Ihr Anliegen. Als Frau finden Sie im Blasen- und Beckenbodenzentrum Hilfe.
Zum Blasen- und BeckenbodenzentrumKaum jemand spricht darüber, viele sind aber davon betroffen: In der Schweiz verliert rund jede vierte Frau und jeder zehnte Mann ungewollt Urin. Gynäkologe Rüdiger Mascus weiss über die neusten Therapien für betroffene Frauen Bescheid, und Urologe Lukas Hefermehl kennt die männliche Seite des Leidens. Hier beantworten sie die wichtigsten Fragen über die Gründe von Inkontinenz, stellen neue Therapiemöglichkeiten vor und klären über Mythen zum Thema auf.
Was sind die häufigsten Gründe für den gestörten Urinabgang bei Ihren Patienten, Lukas Hefermehl, respektive bei Ihren Patientinnen, Rüdiger Mascus?
Lukas Hefermehl: Eine Inkontinenz ist bei Männern selten. Dabei kann eine Operation an der Blase oder der Prostata die Ursache sein. Inkontinenz ist deshalb häufig schon vor einem solchen Eingriff ein wichtiges Thema, das wir mit unseren Patienten besprechen. In den allermeisten Fällen verschwinden diese Beschwerden nach einer gewissen Zeit von allein.
Rüdiger Mascus: Das Bindegewebe verliert mit den Jahren an Elastizität, auch im Genitalbereich. Schwangerschaften und Geburten verstärken das zusätzlich. Die fehlende Stütze des Gewebes ist der häufigste Grund für die belastungsabhängige Inkontinenz bei Frauen. Oft tritt der ungewollte Urinverlust aber erst nach der Menopause auf; der Körper produziert weniger Östrogen, was die Qualität des Bindegewebes weiter reduziert.
Wie gestaltet sich die Therapie?
Lukas Hefermehl: Zuerst behandeln wir mit konservativen Massnahmen – also ohne weitere Operation. Dazu zählt zum Beispiel Beckenbodentraining mit der Physiotherapie. Zeit ist zudem ein wichtiger Faktor, wobei wir versuchen, die Männer in dieser Phase eng zu begleiten. Sind diese Massnahmen nicht erfolgreich, kann eine Operation helfen. Bei einer mässigen Inkontinenz heben wir mit einem Kunststoffband die Harnröhre an. Bei einer starken Inkontinenz legen wir einen künstlichen Schliessmuskel aus einer mit Wasser gefüllten Manschette um die Harnröhre. Über einen Knopf im Skrotum (Hodensack) kann der Mann diese Manschette steuern und so den Urin abfliessen lassen. Diese Operationen werden in der Schweiz eher selten durchgeführt. Ich habe beide Verfahren während meiner Tätigkeit an der Uniklinik in München gelernt und letztes Jahr am KSB erfolgreich eingeführt.
Rüdiger Mascus: Auch wir starten die Behandlung mit konservativen Massnahmen. Sie haben zum Ziel, den Beckenboden zu stärken, beispielsweise mit Physio- oder Elektrotherapie. Ergänzend dazu hilft vielen Frauen eine Pessar-Behandlung. Dabei setzen sie sich eine Art Silikonring in die Vagina ein. Er ersetzt das unter der Harnröhre fehlende Widerlager und verhindert so den ungewollten Urinverlust. Man kann sich das so vorstellen: Wenn man mit dem Fuss auf einen Gartenschlauch steht, um das Wasser zu stoppen, geht das einfacher, wenn der Schlauch auf Asphalt liegt, nicht auf Sand. So funktioniert das Pessar. Lindern alle diese Massnahmen die Beschwerden nicht, setzen wir Betroffenen mit belastungsabhängiger Harninkontinenz ein Bändchen ein. Dieses stützt die Harnröhre und sorgt dafür, dass Urin nicht unkontrolliert abfliesst.
Was hat sich in den letzten Jahren bei der Therapie verändert?
Lukas Hefermehl: Die Operationstechnik hat sich stark verbessert. Beispielsweise entfernen wir eine Prostata heute meistens mit dem Operationsroboter Da Vinci. Deshalb treten unerwünschte Nebenwirkungen auch immer seltener auf.
Rüdiger Mascus: Tatsächlich nicht viel. Die Operation, bei der wir ein Bändchen unter die Harnröhre legen, gibt es schon lange. Und glücklicherweise ist diese Massnahme so erfolgreich, dass Neuerungen gar nicht zwingend nötig sind.
Welches ist der grösste Irrglaube, mit dem Sie immer wieder konfrontiert werden?
Lukas Hefermehl: Dass Mann nach einer Prostataoperation immer inkontinent wird. Davor fürchten sich wirklich viele. Durch die modernen Operationsverfahren tritt jedoch eine signifikante und dauerhafte Inkontinenz tatsächlich selten auf. Und: Viele Männer wissen nicht, dass sich Inkontinenz operativ therapieren lässt.
Rüdiger Mascus: Dass jede Form der Harninkontinenz mit einer OP erfolgreich behandelbar ist. Das glauben wirklich viele. Dabei kann man aber zum Beispiel die überaktive Blase, also ein Krankheitsbild, was mit ständigem Harndrang einhergeht und oft auch mit Inkontinenz verbunden ist, nicht operieren. Dieses Problem können wir gut medikamentös oder auch mit Botox behandeln.
Welche präventiven Massnahmen beugen Inkontinenz vor?
Lukas Hefermehl: Hier gelten grundsätzlich die allgemeinen Gesundheitsempfehlungen: Dazu gehören ein gesunder Lebensstil ohne Übergewicht und ausreichend Bewegung.
Rüdiger Mascus: Beckenbodentraining ist vor allem für junge Frauen nach der Geburt wichtig. Sie sollten sich rechtzeitig nach einer Physiotherapiepraxis umschauen, die ein solches Training anbietet. Nach neun Sitzungen kennen die Frauen dann meistens verschiedene Übungen und können selbständig trainieren.
Inkontinenz am KSB
Text: Tamara Tiefenauer • Geprüft von: Dr. med. Rüdiger Mascus, Leitender Arzt und Leiter Blasen- und Beckenbodenzentrum, PD Dr. med. Lukas Hefermehl, Chefarzt Urologie