Zur Radioimmuntherapie, zur Behandlung von entzündlichen Gelenkerkrankungen oder zur Diagnostik: Die Nuklearmedizin findet in vielen Bereichen Anwendung.
Jetzt mehr zur Nuklearmedizin erfahrenSind Sie ein ungeduldiger Mensch?
Ich mag es, wenn die Dinge laufen, ja.
Und, laufen sie?
Das Coronavirus hat unseren Arbeitsalltag während Wochen verändert. Nicht absolut notwendige Behandlungen wurden verschoben. Das gab uns mehr Freiräume für andere Aufgaben wie Vorträge, Lehraufträge oder Forschungsarbeiten.
Sie haben sich nach der Matura für ein Medizinstudium entschieden.
Ich habe die Naturwissenschaften schon immer geliebt. Mein Physiklehrer hatte Tränen in den Augen, als er mir und meiner Kollegin das Maturazeugnis überreichte: «Das hets no nie gää – zwei Fraue mit eme Sächser!» (Lacht herzlich.)
Wäre da ein Physikstudium an der ETH nicht logisch gewesen?
Ein Freund meines Vaters hat mich vom Medizinstudium überzeugt. Ich dachte damals gar nicht an diese Möglichkeit, ich schwankte wirklich zwischen Biologie und Physik.
Der Entscheid war richtig?
Absolut. Es ist eine tolle Verbindung aus verschiedenen naturwissenschaftlichen Aspekten mit einer sehr interaktiven Funktion rund um Menschen. Zudem arbeite ich in der Nuklearmedizin nun viel mit Physikern, Chemikern oder Biologen zusammen. Aber der Weg dahin war mit Zufällen gespickt, wie so oft im Leben.
Irene Burger (41) …
… leitet seit 2019 die Klinik für Nuklearmedizin am KSB. Sie ist Fachärztin für Nuklearmedizin und Radiologie und lehrt als Privatdozentin an der Uni Zürich und der ETH. Ihre Forschungstätigkeit treibt sie sowohl in Zürich wie am KSB weiter. Irene Burger ist gebürtige Luzernerin, verheiratet und lebt mit ihrem Mann in Uitikon.
Gab es ein Schlüsselerlebnis?
In der 5-jährigen Ausbildung zur Fachärztin Radiologie habe ich mich für ein sogenanntes Fremdjahr in Nuklearmedizin entschieden. Nach wenigen Wochen drückte mir der Chef einen Stapel Studienunterlagen in die Hände: «Irene, mach du mal!» Als ich dann endlich vor der Konsole sass und als erster Mensch überhaupt die Verteilung einer neuen Substanz im Körper beobachten durfte – da war es um mich geschehen: I was hooked!
Was macht eine Spezialistin für Nuklearmedizin eigentlich?
Eine unserer Aufgaben ist es, die Ausbreitung eines Tumors möglichst genau zu bestimmen. Damit dann die Therapie individuell festgelegt werden kann, das ist der diagnostische Teil. Auf der anderen Seite wenden wir radioaktive Substanzen in der Behandlung von Tumorpatienten an, das ist der therapeutische Aspekt.
Nuklearmedizin – wie funktioniert das?
Zur Therapie und Diagnostik werden in der Nuklearmedizin radioaktive Atome an Biomoleküle gebunden. Dadurch entstehen sogenannte Radiotracer. Diese schleusen sich dann je nach Art in verschiedene Stoffwechselprozesse im Körper ein und lagern sich in Krankheitsherden ab. Dadurch kann die Nuklearmedizin Stoffwechselvorgänge im menschlichen Körper darstellen. Hingegen zeigen radiologische Verfahren wie Röntgen, CT oder Ultraschall vorwiegend anatomische Veränderungen.
Sie haben von der Klinik für Nuklearmedizin am Unispital in Zürich nach Baden gewechselt. Warum das?
Ich habe das Glück, das Beste aus beiden Welten kombinieren zu können: Einen Tag pro Woche forsche ich in Zürich, ansonsten arbeite ich am KSB in der Klinik. Das ist perfekt. Die Wege in Baden sind kurz, die Zusammenarbeit dadurch sehr unkompliziert und kollegial.
Wie sehen Sie die Situation für Topmedizinerinnen in der Schweiz?
Nun, in Deutschland wurde ich von einem Chefarzt mal darauf angesprochen, ob es wirklich so schlimm sei. Er berichtete mir von Kolleginnen, die sich in die Schweiz beworben hätten und von der Art, wie mit Frauen umgegangen wird, sehr ernüchtert waren. Das habe ich hier teilweise schon auch beobachtet. Auch konnte ich in den USA einen deutlich offeneren Umgang mit dem Geschlecht beobachten. Die Schweiz ist teilweise schon noch sehr patriarchalisch geprägt.
Haben es Frauen schwerer als Männer in der Spitzenmedizin?
Männern kauft man es eher ab, dass sie sich zu 100 Prozent im Beruf engagieren als Frauen. Schliesslich haben die meisten eine Partnerin als Backup zu Hause. In der Schweiz ist Ganztagesbetreuung für Kinder immer noch eine Seltenheit: Das KSB gehörte mit seiner Kita zu einem Vorreiter.
In anderen Ländern ist Jobsharing in Toppositionen möglich.
Das ist es in der Schweiz schon auch. Ein tolles Beispiel ist das Zürcher Triemli-Spital, wo sich zwei Ärztinnen die Leitung der gynäkologischen Klinik teilen. Das klappt super und bietet viele Vorteile. Aber die Frauen müssen das wirklich wollen. Sie müssen Gleichgesinnte suchen, gemeinsam agieren und dafür kämpfen. Leicht ist es sicher nicht.
Führen Männer besser als Frauen?
Frauen denken viel eher über die Konsequenzen ihrer Entscheidungen nach. Männer geben oft entschiedener den Takt vor, selbst wenn sie sich nur zu 70 Prozent sicher sind, dass sie richtig liegen. Frauen reflektieren und zweifeln mehr, brauchen mehr Sicherheit. Vielleicht sind Frauen dadurch die besseren Teamplayer, offener für die unterschiedlichen Sichtweisen. Man kann nicht generell sagen, was besser ist; ich denke, in einem Team ist eine Mischung aus beidem ideal.
Der nervigste Spruch, den Sie sich von einem Mann anhören mussten?
«Karriere? Aber du bist doch eine Frau!» Das hat mich bis ins Mark erschüttert.
Ihre Reaktion?
Ich war wie gelähmt, konnte nichts entgegnen. Später hat mich ein Kollege auf ein paar Bier eingeladen. Das hat geholfen. (Lacht.)
Sind Frauenquoten eine Option?
(Seufzt, denkt lange nach.) Noch vor vier Jahren war ich total dagegen. Heute denke ich, dass ein gewisser Druck manchmal hilfreich sein könnte.