Die Palliative Care befasst sich mit Patientinnen und Patienten mit unheilbaren, lebensbedrohlichen und/oder chronisch fortschreitenden Krankheiten. Behandlung und Pflege jener Menschen verfolgen das Ziel, auch schwerkranken Menschen die Lebensqualität zu bieten, die sie sich wünschen.
Zur Palliativ CarePeach Weber, wie geht es Ihnen?
Im Rahmen der natürlichen Verwesung geht es mir gut. Das klingt vielleicht etwas einfach, ist aber im Grunde genommen hochphilosophisch. Wir müssen akzeptieren, dass die Dinge mit zunehmendem Alter nicht mehr so gut funktionieren, dass das Leben beschwerlicher wird. Aber man kann innerhalb dieser Tatsache trotzdem zufrieden sein und sich über das freuen, was man noch kann. Klar, gewisse Dinge muss auch ich inzwischen abschreiben – der New York Marathon gehört dazu, aber das macht mir nichts aus (schmunzelt).
Würden Sie sich als gesund bezeichnen?
Nein, ganz gesund bin ich sicher nicht mehr, aber wer ist das schon in meinem Alter? Ich nehme täglich Blutdrucktabletten und welche gegen Diabetes, sonst geht’s relativ gut. Es ist bestimmt Jahrzehnte her, dass ich mich zum letzten Mal hundertprozentig gesund gefühlt habe.
In einem Ihrer Programme sagten Sie einst, wer mit 60 morgens ohne Schmerzen aufstehe, sei vielleicht schon tot. Wie ist es jetzt, mit bald 70 Jahren?
Das ist jeden Tag anders. Manchmal fühle ich mich wie 85, manchmal wie 60. Kann sein, dass einem alles weh tut und man sich überhaupt nicht fit fühlt. An anderen Tagen stehe ich auf, bin «zwäg» und sogleich aktiv. Im Grunde genommen ist es ganz einfach: Wenn du 70 Jahre gelebt hast, bist du 70 Jahre alt und nicht 40. Aber das Alter an sich bedeutet mir nicht viel. Jede Lebensphase hat ihre Vorzüge und ihre Nachteile. Mit 20 war ich Schlagzeuger in einer Rockband. Mit 30 war ich Lehrer, mit 40 dann Komiker. Sämtliche Abschnitte waren intensiv und spannend, ich habe alles sehr bewusst erlebt und genossen. Ich habe mein Leben gelebt. Das Gefühl, etwas verpasst oder falsch gemacht zu haben, kenne ich nicht.
Peach Weber: Komiker, Kolumnist, Autor
Der Komiker Peach Weber steht seit über vierzig Jahren mit seinen Soloprogrammen auf der Bühne.
Wird man im Alter gelassener oder sorgenvoller?
Weder noch, würde ich in meinem Fall sagen. Denn ich mache mir schon mein Leben lang viele Gedanken und studiere an irgendwelchem Zeugs rum. Ob Klimathemen, Krieg oder Pandemie: Wenn es den ganzen Tag nachdenkt, muss man aufpassen, sonst «drüllt» man «dure». Aber ich habe da meinen ganz persönlichen Schutzmechanismus entwickelt und bezeichne mich als Halbtagsphilosophen, so steht’s sogar im Telefonbuch. Ich grüble und studiere den halben Tag, den Rest verbringe ich mit Freude am Leben haben – diese Mischung funktioniert bei mir gut. Grundsätzlich versuche ich mein Leben so zu gestalten, dass ich nie Ferien brauche und immer genügend Erholung habe.
Bei wem kommen Witze übers Älterwerden besser an, bei jungen oder bei alten Menschen?
Solche Witze kommen in der Regel bei allen gut an. Aber ich stelle fest, dass sich insbesondere die älteren Semester prächtig amüsieren, weil sie sich viel stärker angesprochen fühlen als die Jungen. Klar gibt es auch humorlose Menschen, aber die meisten nehmen es locker, weil sie wissen, dass alles andere nichts bringt. Als Komiker sitze ich inzwischen im selben Boot wie der ältere Teil des Publikums. Das macht mich authentisch, wenn es um Gags übers Alter geht. Da kann ich aus dem Vollen schöpfen.
Apropos: In einer Kolumne haben Sie geschrieben, wir müssten den natürlichen Tod wieder einführen und akzeptieren. Wie meinen Sie das?
Bevor meine schwerkranke Grossmutter vor 30 Jahren starb, hing sie monatelang hilflos an den Schläuchen. Eigentlich wollte sie gar nicht mehr leben und riss sich die Schläuche auch regelmässig aus dem Körper. Eine schwierige Situation, denn ich konnte ihr auch nicht wirklich helfen. Hätte ich sie von ihrem Leiden befreit, wäre ich vor Gericht gekommen … Bei meiner Mutter war es etwas anders. Sie hatte Krebs und starb vor etwa 20 Jahren. Der Austausch mit den Ärzten war sehr offen, sie konnte selbst entscheiden, was ihr wichtig war und was nicht (zur Palliative Care). So verzichtete sie auf eine zweite Chemotherapie, weil die Aussichten auf Erfolg gering waren. Das war auch für mich ein eindrücklicher Moment. Ich finde, man soll die Leute sterben lassen, wenn sie nicht mehr wollen. Sie noch lange mit Medikamenten vollzupumpen, bringt doch nur Leid und ist erst noch teuer.
Wie alt wurden Ihre Eltern?
Die Mutter wurde 79 Jahre alt. Mein Vater starb mit 72 Jahren an einem Herzinfarkt. Ich bin überzeugt, dass er sozusagen froh war, so abrupt gehen zu dürfen, denn sein Lebenswandel war nicht gerade vorbildlich. Er hat kein Gemüse gegessen, sondern fast nur Pasta, Fleisch und Süsses – vielleicht hin und wieder eine Banane. Er hat sich ab zirka 40 Jahren kaum mehr bewegt, geschweige denn Sport getrieben. Sein Bewegungsradius beschränkte sich auf den Weg vom Haus zum Auto und zurück. So gesehen ist mein Vater relativ alt geworden, und er hatte Glück, dass er nicht leiden musste.
Erinnern Sie sich an den Tag seines Todes?
Ja, er fragte meine Mutter vorher noch, was es denn zum «Znacht» gebe. «Spaghetti», antwortete diese aus der Küche. Vater meinte, er wolle vor dem Essen noch rasch im Gewächshaus zum Rechten sehen. Als er nach einer halben Stunde nicht zurückkehrte, machte sich die Mutter auf die Suche nach ihm, aber da war er bereits an seinem Herzinfarkt gestorben. Mein Vater starb also mit der Aussicht, bald vor einem Teller Spaghetti zu sitzen. Mal ehrlich, das ist doch ein schönes Ende, nicht?
Bald sind Sie so alt, wie Ihr Vater bei seinem Tod war. Stimmt Sie das nachdenklich?
Nein. Wenn einer mit 70 stirbt, finden das alle schlimm. Es heisst dann von allen Seiten, 70 sei doch noch kein Alter. Alle fragen sich, was die verstorbene Person hätte tun müssen, um länger leben zu können. Aber beim Tod spielen doch verschiedene Faktoren mit – Glück, Zufall, die Gene. Es gibt Menschen, die sterben mit 40 an Lungenkrebs, obschon sie nie geraucht haben. Es geht nicht nur um die Ernährung und den Verzicht.
Worum geht es denn?
Es geht auch um Lebensfreude. Auf den Lebensmitteln sind jeweils die Inhaltsstoffe deklariert, damit man sieht, wie viel ungesundes Zeug drinsteckt. Aber wie viel Lebensfreude eine Crèmeschnitte machen kann, steht nirgends. Nur noch asketisch zu leben und auf alles zu verzichten, bringt nichts. Ausserdem finde ich, dass es nicht darauf ankommt, wie alt du wirst, sondern ob du wirklich gelebt hast und zufrieden warst in deinem Leben.
Haben Sie Angst vor dem Tod?
Angst habe ich nicht, nein. Aber ich wäre schon froh, wenn irgendein gnädiger Herzinfarkt dazwischenkäme, bevor ich krank werde.
Was aber, wenn Sie doch krank werden?
Allzu viel darüber nachzudenken, macht, glaube ich, ebenfalls krank – diese Zeit kann man gescheiter nutzen. Meistens kommt es sowieso anders, als man denkt. Aber eines steht für mich fest: Jahrelang krank im Spital zu liegen, ist nichts für mich. Zudem bin ich pflegeresistent, lasse mich nicht gerne bemuttern. Mir ist aber bewusst, dass auch in meinem Leben der Tag kommen kann, an dem die Schmerzen so gross sind, dass ich nicht mehr weiterleben möchte.
Was dann?
Da mache ich mir keine grossen Gedanken im Voraus. Aber wenn ich meine Selbstständigkeit verliere und sich das Leben für mich nicht mehr lebenswert anfühlt, ist, glaube ich, finito. Ich bin Exit-Mitglied und finde Sterbehilfe eine gute Sache. Aber klar, ich wünsche mir schon, nie vor einem solchen Entscheid stehen zu müssen. Jedenfalls habe ich geregelt, was es zu regeln gibt. Das Testament ist geschrieben, Patientenverfügung und Vorsorgeauftrag existieren auch – für den Fall, dass ich nicht mehr selbst entscheiden kann.
Was tun Sie denn für Ihren Körper, um gesund zu bleiben?
Ich werde nun mal alt, da schwindet die Gesundheit automatisch. Auf Biegen oder Brechen gesund zu bleiben, ist nicht mein Ziel. Ein Beispiel: Ich habe vor dreissig Jahren das Rauchen aufgegeben – von einem Tag auf den anderen. Nicht aus Angst, dass ich deswegen früher sterben könnte, sondern weil ich gemerkt habe, dass der Husten stärker wurde, was letztlich unangenehm war. Bei gewissen Dingen bin ich verantwortungsvoll, bei anderen nicht. Der Mensch hat seinen freien Willen. Er muss aber auch mit den Konsequenzen leben können und nicht jammern, denn das bringt nichts. Leute, die nur jammern und die Schuld bei anderen suchen, mag ich ohnehin nicht.
Wie steht’s um die Ernährung?
Ich ernähre mich relativ ausgewogen und meist gesund, mag Salat und Gemüse. Zugegeben, ich esse wohl etwas mehr, als ich sollte, dafür trinke ich keinen Alkohol. Hin und wieder gönne ich mir auch ein Cordon bleu, wobei ich den Fleischkonsum zurückgeschraubt habe. Nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern wegen der negativen Auswirkungen auf die Umwelt. Grundsätzlich schaue ich, dass ich alle Giftstoffe gleichmässig zu mir nehme – es gibt ja heutzutage kaum mehr ein Lebensmittel, das keine problematischen Stoffe enthält.
Was tun Sie für Ihre Fitness?
Gartenarbeit wie Rasenmähen hält mich fit. Ausserdem habe ich viele Treppen im Haus, muss also täglich einige hundert Schritte rauf- und runtersteigen. Zudem gehe ich jeden Tag zum Einkaufen zu Fuss ins Dorf. Hin- und Rückweg dauern mindestens eine halbe Stunde. Bis ich 40 war, habe ich ziemlich viel Sport gemacht, vor allem Tennis. Dann wurde mir die Verletzungsgefahr zu gross. Überhaupt: Meines Erachtens gibt es nur wenige Sportarten, die gesund sind. Schwimmen, wandern und zügig spazieren gehören wohl dazu. Aber wissen Sie, was ich hin und wieder für meine Gesundheit tue?
Nein, verraten Sie es uns.
Pétanque spielen. Okay, das ist sportlich gesehen vielleicht nicht so krass. Aber immerhin sind die Kugeln, die man wirft, etwa 700 Gramm schwer, und du läufst dauernd hin und her. Wenn du das zusammen mit einigen glatten Kollegen spielst, dann ist das für die psychische Gesundheit genial. Es gibt nichts Gesünderes als Lebensfreude, wie ich finde. Allerdings ist das wissenschaftlich schwierig zu beweisen. Ein anderes Beispiel: Esse ich eine Crèmeschnitte mit Freude, hat sie für mich null Kalorien. Esse ich sie ohne Freude und mit schlechtem Gewissen, dann stecken 12 000 Kalorien drin oder so. Auch das ist nicht fundiert erwiesen, aber davon bin ich überzeugt.
Haben Sie weitere Tipps für mehr Zufriedenheit im Leben, insbesondere im Alter?
Es gibt zwei Dinge, die mir spontan dazu einfallen. Das eine ist ein gewisses Urvertrauen in sich, das Leben und sein Umfeld. Meine Eltern haben mir dieses Urvertrauen mit auf den Weg gegeben. Sie waren stets für mich da und standen jederzeit zu mir. Vertrauen zu schenken, war denn auch mein wichtigster Vorsatz bei der Erziehung meiner Tochter. Weiter ist eine dicke Haut von Vorteil. Man sollte die Dinge nicht allzu ernst nehmen. Als Lehrer und als Komiker wirst du oft beurteilt oder kritisiert, aber das muss an dir abprallen, sonst macht es dich krank.
Wie funktioniert das mit der dicken Haut konkret?
Ich lese beispielsweise keine Kommentare auf meine Kolumnen und zu meinen Auftritten. Das wäre verschwendete Lebenszeit. Ausserdem mag ich diese weitverbreitete Runterputz-Mentalität nicht. Wer mir direkt eine Mail schickt, bekommt immer eine Antwort – sofern das Anliegen oder die Kritik einigermassen anständig formuliert sind. Auf diese Art gehe ich Diskussionen, die sich nicht lohnen, aus dem Weg.
Im Herbst werden Sie 70 Jahre alt. Was bedeutet Ihnen diese Zahl?
Alter und Geburtstage sind mir wurst. Ich habe nie begriffen, weshalb man feiern soll. Es ist ja keine Leistung, alt zu werden. Es hat wohl eher mit Glück zu tun, dass man noch lebt. Zudem lasse ich mich nicht gerne feiern, das ist mir immer ein bisschen peinlich. Deshalb habe ich meistens an meinem Geburtstag eine Vorstellung und versuche, den Tag so gewohnt wie möglich zu begehen.
Warum treten Sie eigentlich noch auf? Sie könnten sich den ganzen Auftrittsstress auch ersparen.
Dummerweise macht mir meine Arbeit grosse Freude, deshalb bin ich immer noch auf Tour. (Schmunzelt.) Aber inzwischen sind es nicht mehr 200 Auftritte pro Jahr, sondern vielleicht noch 80 oder 90. Bei mir braucht es viel, bis ich nervös werde. Am ehesten dann, wenn ich drei Auftritte an einem Tag habe und alles zeitlich und technisch funktionieren muss. Der Auftritt an sich stresst mich nicht so sehr, Lampenfieber kenne ich nicht. Mal lachen die Leute mehr, mal weniger – das ist in Ordnung.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich freue mich auf den Herbst des Lebens. In den nächsten Monaten habe ich einige Auftritte geplant, danach schaue ich weiter. Vielleicht mache ich in zwei Jahren nochmals ein Programm. Im Jahr 2027 ist dann mein letzter Auftritt im Hallenstadion. Es wäre schön, wenn ich da auch dabei sein könnte.
Was, wenn nicht?
Dann findet mein letzter Auftritt halt ohne mich statt. Oder vielleicht stellen sie mich dann in einer Urne auf die Bühne, während Freunde und Weggefährten durchs Programm führen. Die Idee für diese Veranstaltung ist aus einem Gag heraus entstanden, der Vorverkauf läuft gesamthaft 20 Jahre, sämtliche Einnahmen sind für einen guten Zweck bestimmt.
Eine Frage möchten wir zum Schluss des Gesprächs noch ein für alle Mal klären: Herr Weber, ist Humor tatsächlich die beste Medizin?
Das hat was. Wer humorvoll bleibt, hat es doch auch im Alter schöner. Wer keinen Humor hat, verbittert mit der Zeit.
Palliative Care am Kantonsspital Baden
Luk von Bergen