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Gefährlicher Zucker: Schwanger­schaftsdiabetes

29. Mai 2024

Schwangerschaftsdiabetes zählt zu den häufigsten Erkrankungen in der Schwangerschaft. Unbehandelt steigt die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen bei Mutter und Kind. Was das Risiko für einen Schwangerschaftsdiabetes erhöht und wie er therapiert wird, erklärt Leonhard Schäffer, Chefarzt Geburtshilfe und Pränataldiagnostik am KSB.

Herr Schäffer, wieso entwickelt etwa eine von zehn Schwangeren plötzlich einen Diabetes?

Die Schwangerschaft ist eine Art Stresstest für den Körper. Denn mit zunehmendem Schwangerschaftsalter vergrössert sich das Plazentavolumen und die Belastung des Organismus nimmt zu. Zudem erhöht sich aufgrund der Hormonveränderungen der Insulinbedarf der Schwangeren. Wird in der Bauchspeicheldrüse nun nicht ausreichend Insulin produziert, steigt der Blutzucker an. Dieser erhöhte Blutzuckerspiegel wirkt sich auch auf das Ungeborene aus. Es reagiert mit einer gesteigerten eigenen Insulinproduktion. Wenn sich der Insulinspiegel erhöht, regt er das übermässige Wachstum und den Fettaufbau im Fötus an.

Warum erkranken einige Schwangere während andere gesund bleiben?  

Etwa zehn Prozent der Schwangeren erkranken an Gestationsdiabetes, umgangssprachlich Schwangerschaftsdiabetes. Die Mehrheit der Betroffenen weist allerdings bestimmte Risikofaktoren auf. Dazu zählen Übergewicht, Bewegungsmangel oder eine unausgewogene Ernährung. Ausserdem ist das Risiko ebenfalls erhöht, wenn die Eltern oder Geschwister an Diabetes erkrankt sind.

Müssen sich schlanke sportliche Frauen entsprechend nicht auf Schwangerschaftsdiabetes testen lassen?

Auch Frauen, die auf den ersten Blick keine Risikofaktoren aufweisen, können daran erkranken.

Wie bemerkt man einen Schwangerschaftsdiabetes?

In der Regel bemerkt man ihn nicht einfach selbst. Allerdings kann es zu einem vergrösserten Bauchumfang kommen. Grund dafür sind  übermässiges Fruchtwassers oder Kindswachstum. Wenn die Blutzuckerwerte sehr schlecht sind, kann es zu relevanten Schwangerschaftskomplikationen kommen. Deshalb ist es so wichtig, alle Frauen zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche zu testen.

So läuft der Schwangerschaftsdiabetes-Test ab

In der Regel werden Schwangere zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche mittels einem oralen Glukose-Toleranztest auf Schwangerschaftsdiabetes getestet. Zunächst wird aus einer Vene Blut abgenommen. Danach trinkt die Schwangere auf nüchternen Magen eine Lösung, die 75 Gramm Glukose enthält. Nach einer Stunde und nach zwei Stunden wird nochmal Blut abgenommen. Wenn ein erhöhter Blutzuckerwert angezeigt wird, besteht eine gestörte Glukosetoleranz. Je nach Blutzuckerwert in nüchternem Zustand kann teilweise auf eine Zuckerbelastung verzichtet werden.

Welche Komplikationen können infolge eines unerkannten oder schlecht eingestellten Schwangerschaftsdiabetes auftreten?

Bei einem schlecht eingestellten Schwangerschaftsdiabetes steigt das Risiko einer Schwangerschaftsvergiftung, einer erhöhten Menge an Fruchtwasser, eines erhöhten Kindsgewichts und damit verbundenen Geburtskomplikationen, einer Frühgeburt oder einer höheren Kaiserschnittrate.

Wie wird Schwangerschaftsdiabetes behandelt?

Es ist wichtig, die Patientinnen gut über die Erkrankung und die Ernährungsumstellung zu informieren. Daher überweisen wir sie an die Diabetesberatung und Ernährungsberatung. In der Mehrzahl der Fälle genügt bereits eine Umstellung und Optimierung der Ernährung. So sollten sie zum Beispiel schnell resorbierbare Kohlenhydrate, sprich stark zuckerhaltige Lebensmittel, reduzieren und die Energiebilanz optimieren.

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Leonhard Schäffer im Beratungsgespräch: Je nach Ausprägung der Schwangerschaftsdiabetes muss neben einer Ernährungsumstellung auch Insulin gespritzt werden.
Bei einigen Schwangeren genügt die Ernährungsumstellung allein jedoch nicht?

Bei etwa einem Drittel der Patientinnen ist eine Behandlung mit Insulin nötig. Dieses spritzt sich die Schwangere über einen Pen in den Oberschenkel.

Geht mit dem Babybauch auch der Schwangerschaftsdiabetes wieder weg?

Bei den meisten Betroffenen ist dies der Fall. Trotzdem entwickeln etwa ein Drittel von ihnen irgendwann in ihrem Leben eine gestörte Glukosetoleranz bzw. einen Diabetes Typ 2 oder ein metabolisches Syndrom. Auch das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen ist erhöht. Sechs bis acht Wochen nach der Geburt wird deshalb sicherheitshalber ein erneuter Belastungstest durchgeführt. Bei diesem kann man einen sogenannten Prädiabetes als Indikator für Diabetes 2 erkennen. Daher ist es wichtig, diese Frauen neben einer Beratung hinsichtlich der Ernährung und des Lebensstils in eine gute Vorsorge einzubinden. So lassen sich diese Erkrankungen verhindern oder zumindest frühzeitig erkennen bevor Spätschäden eintreten.

Auch wenn die Mutter nach der Entbindung wieder gesund ist: Hat ein Schwangerschaftsdiabetes Auswirkungen auf die weitere Entwicklung des Kindes?

Das ist insbesondere der Fall, wenn er schlecht eingestellt ist und die Zuckerwerte dauerhaft zu hoch sind. Hier spielen epigenetische Faktoren eine Rolle. In diesen Fällen sind die Neugeborenen häufig sehr gross und kräftig. Die erhöhten Zucker- und Insulinspiegel des Fetus führen zu einer Beeinflussung der Entwicklung der Fettzellen und Zellen der Bauchspeicheldrüse. Das führt zu einer gestörten Glucosetoleranz und erhöhtem BMI. Dadurch entsteht ein höheres Langzeitrisiko, ein sogenanntes metabolisches Syndrom zu entwickeln. Dieses geht mit den Krankheitsbildern Übergewicht, Bluthochdruck und einem erhöhten Blutzuckerspiegel einher.

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Text: Vivien Wassermann • Geprüft von: Leonhard Schäffer, Chefarzt Geburtshilfe und Pränataldiagnostik

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